Untaugliche Ausführungsweise: Auftragnehmer muss verbindliche Bestelleranweisung beweisen.

01.01.2012

Untaugliche Ausführungsweise: Auftragnehmer muss verbindliche Bestelleranweisung beweisen.

Zu: BGH, Urteil vom 29.09.2011 - VII ZR 87/11

Eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit liegt vor, wenn der mit dem Vertrag verfolgte Zweck der Herstellung eines Werks nicht erreicht wird und das Werk seine vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion nicht erfüllt. Beruft sich der Unternehmer zu seiner Entlastung darauf, er habe aufgrund bindender Anordnung einer untauglichen Ausführungsweise durch den Auftraggeber die vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion nicht erfüllen können, trägt er die Darlegungs- und Beweislast für eine solche Behauptung.

Ein Unternehmer errichtet einen Elektrodücker. Dessen Vermessung nebst Dokumentation vergibt er an einen Vermesser. Dieser nimmt die Lage der Start- und Zielgrube auf und stellt den Dückerverlauf mittels einer geradlinigen Verbindung zwischen diesen dar. Den tatsächlichen Verlauf misst er nicht auf. Bei aufgrund der so gefertigten Bestandspläne ausgeführten Rammarbeiten wird der Dücker beschädigt. Der Unternehmer muss ihn für über 82.000,00 Euro neu verlegen und verlangt von dem Vermesser Schadensersatz. Dieser wendet ein, der Unternehmer habe ihn ausdrücklich beauftragt, den Dückerverlauf so darzustellen. Das OLG gibt der Klage wegen eines Mitverschuldens des Unternehmers nur zu 50% statt. Mit seiner Revision erstrebt der Vermesser volle Klageabweisung.

Mit teilweisem Erfolg. Der BGH hebt das OLG-Urteil wegen eines Verfahrensfehlers auf. Das OLG ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass das Werk des Vermessers mangelhaft ist, weil es nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist, die sich aus der Auslegung des Vertrags ergibt und zu der alle Eigenschaften des Werks gehören, die vereinbarungsgemäß den geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Letzterer bestimmt sich nicht allein nach der vereinbarten Ausführungsart, sondern auch danach, welche Funktion das Werk erfüllen soll. Der BGH nimmt deshalb in Fortführung des zum alten Recht entwickelten funktionalen Mangelbegriffs eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit an, wenn der mit dem Vertrag verfolgte Zweck nicht erreicht wird und das Werk seine vereinbarte Funktion nicht erfüllt. Hiernach fehlt dem Werk des Vermessers die vereinbarte Beschaffenheit. Es sollte als Grundlage für die Rammpläne dienen. Diese Funktion erfüllt es nicht, weil der Vermesser den tatsächlichen Verlauf des Dückers nicht erfasst und dokumentiert hatte, obwohl nur eine präzise Einmessung Gewähr für die Erarbeitung von Rammplänen bieten konnte, bei deren Beachtung der Dücker nicht beschädigt worden wäre. Das Werk des Vermessers ist auch dann mangelhaft, wenn der Unternehmer die erfolgte Ausführungsart ausdrücklich verlangt haben sollte. Es geht nicht um eine "Beschaffenheitsvereinbarung nach unten", sondern um die fehlende Funktionstauglichkeit des Werks. Für diese haftet der Vermesser aber nicht, wenn er den Unternehmer auf die Bedenken gegen die gewünschte Ausführung hingewiesen, dieser aber auf der untauglichen Ausführung bestanden hatte. Die Beweislast für diesen Befreiungstatbestand trägt der Vermesser.

Der BGH weist darauf hin, dass dann, wenn der Vermesser nicht haftungsfrei ist, gegen die Annahme eines hälftigen Mitverschuldens, weil der Unternehmer die Bestandspläne des Vermessers nicht überprüft hatte, revisionsrechtlich keine Bedenken bestehen.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Jochen Zweschper, Fachanwalt Für Bau- und Architektenrecht.

Quelle: ibr-online-Newsletter 18/2011