Bürgenhaftung: ARGE und ARGE-Partner sind strikt voneinander zu trennen

01.01.2012

Bürgenhaftung: ARGE und ARGE-Partner sind strikt voneinander zu trennen

Zu: OLG Frankfurt, Urteil vom 16.09.2011 - 19 U 78/11

Die Bürgschaft wird nach §§ 765, 767 BGB für die Hauptverbindlichkeit eines bestimmten Dritten erteilt. Die Bürgschaft sichert daher grundsätzlich nur Verbindlichkeiten bestimmter Personen. Tritt ein anderer (hier: eine ARGE) an die Stelle des ursprünglichen Hauptschuldners (hier: ARGE-Partner), ist eine Haftung aus der Bürgschaft grundsätzlich ausgeschlossen.

Ein Bürge B stellt auf Grund eines mit dem Unternehmer Y geschlossenen Kautionsversicherungsvertrags für Y wiederholt Bürgschaften zu Bauvorhaben. Wegen etwaiger Regressansprüche ist B abgesichert durch eine Rückbürgschaft des Rückbürgen R. Dieser hat eine Bürgschaft für alle bestehenden und künftigen Ansprüche, die B gegen Y aus der Gewährung von Bürgschaften im Rahmen der Kautionsversicherung zustehen, übernommen. Zunächst soll Y allein einen Auftrag des Auftraggebers S erhalten. Dann aber bilden Y und der weitere Unternehmer Z gegenüber S eine ARGE, der S den Auftrag erteilt. B gewährt hierzu Bürgschaften, durch die Ansprüche von S gegen die ARGE gesichert werden. Hieraus nimmt S den B erfolgreich in Anspruch. B verlangt den an S gezahlten Betrag nun von R.

Das OLG Frankfurt gab der Klage nicht statt. R hat Ansprüche von B aus dem Kautionsversicherungsvertrag mit Y abgesichert. Demnach muss Y (als Hauptschuldner) aus werkvertraglichen Verpflichtungen vom jeweiligen Auftraggeber in Anspruch genommen werden. Die ARGE ist hingegen ein anderer Hauptschuldner. Die Person des Hauptschuldners ist wirtschaftlich von entscheidender Bedeutung. Daher kann nicht unterstellt werden, dass sich die Bürgschaftsverpflichtung auch auf eine andere Person erstrecken soll (BGH, BauR 1993, 608). Das Bürgschaftsrisiko bestimmt sich maßgeblich nach der Person des Hauptschuldners. Auch liegt kein Fall eines unbeachtlichen Inhaberwechsels, einer Firmenänderung oder einer Rechtsformänderung (letztlich Fälle der Gesamtrechtsnachfolge) vor, sondern vielmehr ist mit der ARGE unter bloßer Beteiligung von Y eine neue Rechtsperson entstanden. Nichts anderes folgt daraus, dass Y für die Verbindlichkeiten der rechtlich eine BGB-Gesellschaft darstellenden ARGE gemäß den §§ 714 BGB, 128 HGB akzessorisch haftet. Diese Haftung ist keine durch die Bürgschaft abgesicherte Verpflichtung aus dem Bauvertrag mit S zur Erbringung der Bauleistung, sondern lediglich eine gesellschaftsrechtlich begründete Verpflichtung. Y ist auch nicht unmittelbar zur Erfüllung von Mängelansprüchen verpflichtet, da S diese nur gegen die ARGE als ihrer Vertragspartnerin zustehen.

Die zutreffende Entscheidung beleuchtet ein wichtiges Problem: Da die ARGE ein Vertragspartner mit eigener Rechtsperson ist, muss sie im Verhältnis zum jeweiligen Auftraggeber Sicherheiten stellen und in diesen Sicherheiten als Hauptschuldner bezeichnet sein. Dem steht das Bedürfnis der ARGE-Partner entgegen, im Rahmen ihrer Leistungsanteile möglichst selbständig zu agieren und auch Bürgschaften im eigenen Namen auf eigener Avalkreditlinie zu stellen. Da jedoch auf die jeweiligen ARGE-Partner lautende Bürgschaften für den Auftraggeber nicht brauchbar sind, darf und muss er sie zurückweisen. Daher kommt allenfalls in Betracht, dass im Innenverhältnis die ARGE-Partner über ihre jeweiligen Bürgen sich gegenseitig interne Absicherungen stellen und nach außen durch einen gemeinsam ausgewählten Bürgen die gegenüber dem Auftraggeber geschuldeten, auf die ARGE als Hauptschuldner ausgestellten Bürgschaften beibringen.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Jochen Zweschper, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Quelle: ibr-online-Newsletter 16/2011