Wiesbaden muss in Luftreinhalteplan Rhein-Main als Umweltzone ausgewiesen werden

01.01.2012

Wiesbaden muss in Luftreinhalteplan Rhein-Main als Umweltzone ausgewiesen werden

Zu: VG Wiesbaden, Urteil vom 11.10.2011 - 4 K 757/11.

Um die Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden einzuhalten, muss dort nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden eine Umweltzone eingerichtet werden. Das Gericht hat das Land Hessen deshalb mit Urteil vom 11.10.2011 faktisch verpflichtet, Wiesbaden im Luftreinhalteplan Rhein-Main als Umweltzone auszuweisen. Das VG hat Berufung und Sprungsrevision zugelassen (Az.: 4 K 757/11).

Die Kläger, eine Einwohnerin Wiesbadens und der Deutsche Umwelthilfe e.V., wollten erreichen, dass das Land Hessen den Teilplan Wiesbaden des von ihm vorgelegten Entwurfs zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans Rhein-Main ändert, damit der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionswert für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 Mikrogramm pro Quadratmeter eingehalten wird. Das VG hat den Klagen stattgegeben. Die Klagen seien zulässig gewesen. Die Deutsche Umwelthilfe e.V. sei klagebefugt gewesen. Das VG beruft sich hierbei auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 08.03.2011 (BeckRS 2011, 80195), mit dem die Klagebefugnis von Umweltverbänden gestärkt wurde.

Das VG hat die Klagen auch für begründet erachtet. Denn die Kläger hätten gemäß §§ 47 Abs. 1 BImSchG, 27 Abs. 2 39. BImSchV Anspruch auf einen Luftreinhalteplan mit Maßnahmen, die geeignet seien, den Zeitraum der Nichteinhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwerts für Stickstoffdioxid (NO2) so kurz wie möglich zu halten. Diese Anforderungen erfüllt der im Entwurf vorliegende Luftreinhalteplan ? Teilplan Wiesbaden nach Ansicht des Gerichts nicht. Wie das Gericht erläutert, stehe auch bei Umsetzung aller vorgesehenen Maßnahmen fest, dass der vorgegebene Grenzwert von Stickstoffdioxid (NO2) weder am Wohnhaus der klagenden Einwohnerin noch an den sonst stark belasteten Punkten im Stadtgebiet Wiesbadens eingehalten wird.

Nach der im Planentwurf enthaltenen Prognose der NO2-Konzentration ergäben sich für 2015 an drei der fünf Messstellen weiterhin erhebliche Grenzwertüberschreitungen. Solche dauerhaften Überschreitungen müssten angesichts der zwingenden, dem Gesundheitsschutz dienenden normativen Regelungen nur hingenommen werden, wenn alle geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen zur Verminderung der Stickstoffdioxidkonzentration in der Planung ausgeschöpft werden. Das ist laut VG aber nicht der Fall. Eine wirksame Verminderung der NO2-Belastung sei durch die Einrichtung einer Umweltzone möglich. Die Wirksamkeit einer Umweltzone sei gutachterlich bestätigt. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig.

Das VG führt aus, dass im Plangebiet immerhin 63,6 Prozent der vorhandenen NO2-Belastung auf den Kraftfahrzeugverkehr zurückzuführen seien, so dass hier ein Eingreifen sachgerecht und geboten erscheine. Es rügt die Verweigerung des Einvernehmens durch die zuständige Straßenverkehrsbehörde als rechtswidrig, weil diese im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung einseitig auf finanzielle Belastungen von Bevölkerung und Wirtschaft sowie die angeblich minimale Auswirkungen einer Umweltzone abstelle, das zentrale Ziel Grenzwertfestsetzung, den Schutz der menschlichen Gesundheit, aber völlig außer Acht lasse.

Das Gericht verkennt nach eigener Aussage nicht den planerischen Gestaltungsspielraum des beklagten Landes bei der Aufstellung des Lufreinhalteplans. Normativ würden nur einzuhaltende Ziele vorgegeben, während konkrete Vorgaben für die zu treffenden Maßnahmen fehlten. Das bedeute jedoch keine völlige Freiheit im Rahmen der planerischen Entscheidungen. Das beklagte Land müsse sich vielmehr auch bezüglich der unterlassenen Maßnahmen an den normativen Zielvorgaben messen lassen. Da aufgrund der fortgeschrittenen Planung feststehe, dass auf lokaler Ebene bis auf die Umweltzone als effektivste Maßnahme alle umsetzungsfähigen und verhältnismäßigen Maßnahmen in den Planentwurf eingegangen seien, sei der Urteilsspruch praktisch gleichbedeutend mit der Verpflichtung zur Aufnahme einer Umweltzone in den Teilplan Wiesbaden des Luftreinhalteplans Rhein-Main.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Quelle: beck-aktuell-Redaktion, Verlag C.H. Beck, 11. Oktober 2011.