VGH Mannheim: Keine Krypta im Industriegebiet Kirchardt

01.01.2012

VGH Mannheim: Keine Krypta im Industriegebiet Kirchardt

zu VGH Mannheim, Urteil vom 20.07.2011 - 3 S 465/11.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim hat einer syrisch-orthodoxen Kirchengemeinde erneut die Genehmigung zum Bau einer Krypta im Industriegebiet der Gemeinde Kirchardt versagt. Wie der VGH in seinem jetzt mitgeteilten Urteil vom 20.07.2011 entschieden hat, könne für die Krypta wegen des erforderlichen Schutzes der Totenruhe keine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes erteilt werden.
Eine syrisch-orthodoxe Kirchengemeinde begehrt die Genehmigung für den Bau einer Krypta im Keller ihres Kirchengebäudes. Die Krypta soll als Begräbnisstätte mit zehn Bestattungsplätzen für die verstorbenen Pfarrer der Kirchengemeinde dienen. Der Zugang wäre nur von außen möglich, die Be- und Entlüftung des Raumes würde über oberirdische Fenster erfolgen.

Die Kirche liegt in einem großen Industriegebiet der Gemeinde Kirchardt. Ihre Ostseite mit der geplanten Krypta liegt nur wenige Meter von einem holzverarbeitenden Betrieb mit 85 Mitarbeitern entfernt. Auf der befestigten Betriebsfläche entlang der gemeinsamen Grenze werden auf Höhe eines der Krypta gegenüber liegenden Rolltores Waren be- und entladen. Ferner sind hier mehrere Container gelagert und Holzpaletten gestapelt. Die Kirche wurde 1994 mit Zustimmung der Gemeinde Kirchardt genehmigt. Dem Bau der Krypta ist die Gemeinde aber immer entgegengetreten, weil sie nicht ins Industriegebiet passe und mit der Totenruhe nicht vereinbar sei. Die Kirchengemeinde hatte damals zunächst auch die Krypta mit beantragt, diese aber dann aus den eingereichten Plänen gestrichen.

2005 stellte sie einen neuen Bauantrag für die Krypta. Zur Begründung verwies sie auf die verbindliche Tradition, wonach syrisch-orthodoxe Geistliche nicht auf öffentlichen Friedhöfen, sondern nur in «geweihter Erde» begraben werden dürfen. Möglichst sollten sie unter dem Altar der eigenen Kirche begraben werden. Andere syrisch-orthodoxe Gemeinden bestatten ihre Pfarrer in einem der syrisch-orthodoxen Klöster. Eines befindet sich in den Niederlanden, ein anderes in Warburg bei Höxter in Westfalen.

Der VGH hatte bereits 2009 entschieden, dass die Krypta im Industriegebiet gebietsunverträglich und deswegen unzulässig ist. Auf die Revision der Kirchengemeinde verwies das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren an den VGH zurück. Es gab dem VGH auf zu prüfen, ob die Krypta nicht im Wege einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans genehmigt werden könne. Dabei komme es auf die konkrete Situation vor Ort an.

Der VGH ist jetzt nach erneuter Überprüfung der örtlichen Verhältnisse und nochmaliger Würdigung der Umstände bei und nach Genehmigung der Kirche zu dem Ergebnis gelangt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiungsentscheidung aus mehreren Gründen nicht vorliegen. Wie das Gericht ausführt, würde die Zulassung der Krypta Grundzüge des Planungskonzepts der Gemeinde Kirchardt berühren. Das gemeindliche Konzept, mit dem Bebauungsplan ein klassisches Industriegebiet vor allem für stark emittierende Gewerbebetriebe zu schaffen und künftig zu erweitern würde durch den Einbau der grenznahen Krypta gestört. Der VGH begründet dies damit, dass auf die Totenruhe Rücksicht genommen und auf längere Sicht zu deren Schutz möglicherweise Lärmschutzauflagen gegenüber dem angrenzenden Betrieb erlassen sowie auch die Erweiterungsplanung des Industriegebiets verändert werden müsste.

Der VGH räumt ein, dass zwar auch schon mit der Kirche ein Spannungsverhältnis zur umliegenden Industrie geschaffen worden sei. Dieses würde sich mit Zulassung der Krypta aber noch deutlich verstärken. Denn das Schutzbedürfnis der Krypta als Ort der Totenruhe gegen Industrielärm sei höher als das einer reinen Kirche. Nach herrschenden kulturellen Vorstellungen verlange die Totenruhe ein ruhiges pietätvolles Umfeld und ausreichend Abstände zu industriellen Nutzungen. Daran fehlt es hier laut VGH. Die Krypta sei nach ihrer Lage (Grenznähe) und Beschaffenheit (Außeneingang, Belüftungsfenster nach Osten) konkretem Lärm von Seiten des nahen Betriebs ausgesetzt. Wegen der geschilderten konkreten Konfliktlage hält der VGH die Krypta auch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen des holzverarbeitenden Betriebs für unvereinbar mit öffentlichen Belangen.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht das Gewicht des religiösen Interesses der Kirchengemeinde am Einbau der Krypta schließlich dadurch gemindert, dass sie sich durch ihr Verhalten zwischen 1994 und 2005 bewusst auf eine Kirche auch ohne Krypta eingelassen habe.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Quelle: Beck-aktuell-Newsletter vom 25.08.2011