Übernahme von Fremdanliegerkosten in einem Erschließungsvertrag

01.01.2012

Übernahme von Fremdanliegerkosten in einem Erschließungsvertrag

Zu: BVerwG Urteil vom 10.08.2011 - 9 C 6/10

Das BVerwG entschied, dass ein Erschließungsvertrag nicht schon deshalb unangemessen i.S.v. § 124 Abs. 3 Satz 1 BauGB und nichtig ist, weil sich der Erschließungsunternehmer in dem Vertrag zur Übernahme von Erschließungskosten verpflichtet, die bei öffentlich-rechtlicher Beitragserhebung auf im Erschließungsvertragsgebiet gelegene Grundstücke sog. Fremdanlieger entfielen.

Ein Privater Unternehmer hatte sich in dem zu entscheidenden Fall gegenüber der klagenden Stadt dazu verpflichtet, ein Baugebiet zu erschließen. Der Erschließungsvertrag beinhaltete eine Regelung, nach der der Bauunternehmer auch den Anteil der Erschließungskosten tragen sollte, welcher bei öffentlich-rechtlicher Beitragserhebung auf Grundstücke entfallen würde, die weder der Stadt noch dem Unternehmer gehörten (sog. Fremdanlieger). Nach Durchführung der Erschließungsarbeiten nahm die Stadt den Unternehmer aufgrund einer besonderen Abrechnungsklausel des Vertrages auf Zahlung eines Ausgleichsbetrages in Anspruch.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Zahlungsklage für unbegründet erklärt, weil der Erschließungsvertrag nichtig sei. Er verstoße gegen das Angemessenheitsgebot des § 123 Abs. 1 Satz 2 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (LVwG SH), weil der Beklagte im Ergebnis auch mit Kostenanteilen belastet werde, die im Falle einer öffentlich-rechtlichen Beitragserhebung nicht ihm, sondern allein Fremdanliegern auferlegt werden könnten.

Diese Auffassung wurde vom Bundesverwaltungsgericht nicht geteilt. Das Oberverwaltungsgericht lege einen unzutreffenden Maßstab an, weil es den Vertrag an § 123 LVwG SH und nicht an der spezielleren Vorschrift des § 124 BauGB über die Zulässigkeit und den Inhalt von Erschließungsverträgen messe. § 124 Abs 2 Satz 2 BauGB gestatte es ausdrücklich, dass der Erschließungsunternehmer sich gegenüber der Gemeinde verpflichtet, die Erschließungskosten ganz oder teilweise zu übernehmen, und zwar unabhängig davon, ob die Erschließungsanlagen nach Bundes- oder Landesrecht beitragsfähig sind. Dies schließe es aus, allein schon wegen der Überbürdung von Fremdanliegerkosten die vertraglichen Leistungen als nicht angemessen i.S.v. § 124 Abs. 3 Satz 1 BauGB anzusehen. Ob Letzteres der Fall sei, könne nur unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des konkreten Vertrages beurteilt werden. Da es im Streitfall an den hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen fehlte, hat das Bundesverwaltungsgericht die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Quelle: Pressemitteilung Nr. 64/2011 des BVerwG vom 10.08.2011