Zur Gewichtung von Zuschlagskriterien

01.01.2012

Zur Gewichtung von Zuschlagskriterien

Zu: EuGH, Urteil vom 18.11.2010 - C-226/09

Öffentliche Auftraggeber sind auch bei Auftragsvergaben, welche nicht oder nur teilweise in den Anwendungsbereich des Vergaberechts fallen, an einmal getroffene Festlegungen aus Gründen der Gleichbehandlung und Transparenz gebunden.

Ein öffentlicher Auftraggeber hatte die Vergabe von Dolmetscher- und Übersetzungsdienstleistungen bekannt gegeben. In der Vergabebekanntmachung war festgelegt, dass das wirtschaftlich günstigste Angebot den Zuschlag auf der Grundlage von 7 Zuschlagskriterien erhalten sollte. Eine Gewichtung der angegebenen Zuschlagskriterien gab die Vergabestelle nicht an. Innerhalb der Angebotsfrist unterbreiteten 12 Interessenten ein Angebot. Die Mitglieder des Bewertungsausschusses erhielten am Tag des Ablaufs der Frist ein Schema, welches eine prozentuale Gewichtung der Zuschlagskriterien empfahl. Nach der Prüfung eines Teils der Angebote wurde indes die Gewichtung der Zuschlagskriterien teilweise geändert und in der geänderten Form der Angebotsbewertung zugrundegelegt. Diese Vorgehensweise wurde von der EU-Kommission als europarechtswidrig eingestuft.

Auch der EuGH hat sich der Auffassung der EU-Kommission angeschlossen. Die Vergabe von Dolmetscherleistungen seien zwar Dienstleistungen, welche nur teilweise in den Anwendungsbereich des Vergaberechts fallen, so genannte "nicht prioritäre Dienstleistungen". Daher sei die Vergabestelle nur verpflichtet, die Vorschriften über technische Spezifikationen zu beachten und der Kommission die Ergebnisse des Vergabeverfahrens übermitteln. Derartige Auftragsvergaben unterlägen jedoch uneingeschränkt den Vorgaben des EG-Rechts insbesondere dem Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz. Voraussetzung hierfür sei ein grenzüberschreitendes Interesse am Auftrag. Zwar verlange das Transparenzgebot nicht die Bekanntgabe der Gewichtung von Zuschlagskriterien vor Angebotsabgabe unkt allerdings verletze die Vergabestelle dem Gleichbehandlungs-und Transparenzgrundsatz, wenn sie, wie vorliegend, nach einer ersten Prüfung der Angebote die Zuschlagskriterien im Rahmen einer Gewichtung ändere.

Dieses Urteil dürfte auf Vergabe von grenzüberschreitendem Interesse, etwa von Dienstleistungskonzessionen oder Vorhaben unterhalb der EU-Schwellenwerte übertragbar sein.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Jochen Zweschper, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht