Sittenwidrigkeit von spekulativ überhöhtem Einheitspreis bei Einzelpositionen

01.01.2012

Sittenwidrigkeit von spekulativ überhöhtem Einheitspreis bei Einzelpositionen

Zu: OLG Dresden, Urteil vom 11.12.2009 - 4 U 1070/09

Ein spekulatives Bieterverhalten (420- bis 560-fache Überschreitung des durchschnittlichen Preises für eine Einzelposition bei einem Einheitspreisvertrag) ist nicht schützenswert, wenn der Auftragnehmer durch die anstößig überhöhte Position Verluste bei anderen Positionen ausgleichen will.

Ein Unternehmer erhielt bei einer öffentlichen Ausschreibung Bauleistungen für den Neubau einer Halle. Für die Position "Unterstützungskörbe" wurde im Leistungsverzeichnis für die Menge von 5 Kg ein Einheitspreis von 843 Euro/Kg eingetragen. Der günstigste Bieter verlangte einen Preis von 1,34 Euro, durchschnittlich lag der Preis bei 6,15 Euro/Kg. Tatsächlich jedoch wurden 530 Kg verbaut, wofür der Unternehmer einen Werklohn von 509.515,24 Euro verlangte. Der Bauherr verweigerte die Zahlung, da der Preis sittenwidrig sei.

Das Oberlandesgericht Dresden urteilte, das auch einzelne Einheitspreise sittenwidrig sein können, selbst wenn der Gesamtpreis die Schwelle zur Sittenwidrigkeit nicht erreicht. Aufgrund des bauvertraglichen Kooperationsgebotes sei es dem Unternehmer verwehrt, Ausschreibungsfehler zu unangemessenem Gewinn zu nutzen, statt über sie aufzuklären. Der Preis sei hier zumindest um das 421-fache überhöht, da ein Sachverständiger einen Preis von 1,50 - 2 Euro/Kg für üblich angesehen hat. Sie daraus entstehende Vermutung eines sittlich verwerflichen Gewinnstrebens hat der Unternehmer nicht beseitigen können. Der Auftragnehmer machte geltend, dass er bei Zugrundelegung von geringeren Mehrmengen in dieser Position lediglich Wagnis und Gewinn in Höhe von ca. 57.000 Euro oder 2,33% auf die Gesamtauftragssumme kalkuliert hat. Als Ausgleich habe er dafür bei allen anderen Positionen auf jegliche Gewinnanteile verzichtet. Dadurch hat der Auftragnehmer eingeräumt, das Vergabeverfahren bewusst missbraucht zu haben, um sich regelwidrig einen Vorteil zu verschaffen.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Jochen Zweschper, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.