Ein Auftraggeber kann nicht zur Auftragserteilung gezwungen werden

01.01.2012

Ein Auftraggeber kann nicht zur Auftragserteilung gezwungen werden

Zu: OLG Celle, Urteil vom 15.07.2010 - 13 Verg 9/10

Ein Auftraggeber, der statt einer ausgeschriebenen Leistung eine andere Leistung in einem neuen Vergabeverfahren beschaffen will, kann nicht dazu verpflichtet werden, das ursprüngliche Verfahren fortzusetzen und das neue Verfahren zu beenden, wenn es sich dabei um unterschiedliche Leistungsgegenstände handelt.
Dabei muss für die Architektenplanung entscheidend sein, ob die ausgeschriebenen Leistungen sich in solchen Elementen unterscheiden, die einen wesentlichen Einfluss auf das Charakteristische einer planerischen Lösung haben können. Wenn die Anpassung eines planerischen Entwurfs an eine veränderte Situation nicht mehr ausreichend ist, sondern eine planerische Neukonzeption notwendig ist, handelt es sich nicht mehr um denselben Leistungsgegenstand.

Im Jahr 2002 hat das Land Niedersachsen einen Realisierungswettbewerb zur Neugestaltung des Landtags durchgeführt. Das Vorhaben wurde nach 2003 nicht weiter verfolgt. Im Jahr 2009 wurde ein neuer Wettbewerb veranstaltet. Die Preisträger des ersten Wettbewerbs, welche sich am zweiten Wettbewerb nicht beteiligten, verlangen, den zweiten Wettbewerb zu stoppen, hilfsweise an Auftragsverhandlungen für diesen Wettbewerb beteiligt zu werden.

Das Oberlandesgericht Celle urteilte zu Gunsten des Landes Niedersachsen. Eine Verpflichtung des Antragsgegners, das im Jahr 2009 eingeleitete Vergabeverfahren abzubrechen und das 2002 begonnene Verfahren zu Ende zu führen, kann nur dann bestehen, wenn der Antragsgegner die 2002 ausgeschriebenen Leistungen weiterhin beschaffen will. Der Antragsgegner hat jedoch unzweifelhaft zu erkennen gegeben, das er endgültig davon Abstand nimmt, die im Jahr 2002 ausgeschriebenen Leistungen zu beschaffen. Das Gericht begründete, dass aus dem Umstand der Ausschreibung nicht abgeleitet werden kann, dass ein Ausschreibender, der nach den maßgeblichen Vergabevorschriften keinen Grund zur Aufhebung des Ausschreibungsverfahrens hat, gezwungen werden darf, einen der Ausschreibung entsprechenden Auftrag an einen geeigneten Bieter zu erteilen. In der Kompetenz der Nachprüfungsinstanzen läge damit auch nicht, eine Maßnahme zu treffen, die für einen Auftraggeber, der trotz Einleitung eines Vergabeverfahrens einen Auftrag nicht mehr erteilen will, einen Zwang bedeutet, sich doch vertraglich zu binden. Der Auftraggeber kann somit nicht verpflichtet werden, das ursprüngliche Verfahren fortzusetzen und das neue Verfahren zu beenden, wenn es sich um unterschiedliche Leistungsgegenstände handelt. Dies ist bei den in den Jahren 2002 und 2009 ausgeschriebenen Leistungen der Fall. Die Tatsache, dass Gegenstand beider Wettbewerbe die Neukonzeption des Landtags war, kann für einen identischen Leistungsgegenstand nicht genügen. Entscheidend ist, dass sich die ausgeschriebenen Leistungen in solchen Punkten unterscheiden, die wesentlichen Einfluss auf das Charakteristische einer planerischen Lösung haben können. Wenn die Anpassung einer planerischen Lösung an eine veränderte Situation nicht mehr ausreichend ist, sondern eine völlige Neukonzeption notwendig wird, handelt es sich nicht mehr um denselben Leistungsgegenstand.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Jochen Zweschper, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht