Unzulässiges Bürgerbegehren gegen die Ansiedlung bestimmter Betriebe im Gewerbegebiet

01.01.2012

Unzulässiges Bürgerbegehren gegen die Ansiedlung bestimmter Betriebe im Gewerbegebiet

Zu: VG Stuttgart, Urteil vom 30.6.2010 - 7 K 273/09

Das Verwaltungsgericht Stuttgart entschied, dass Angelegenheiten von Gemeindezweckverbänden nicht unmittelbar zum Gegenstand von Bürgerentscheiden gemacht werden können. Grundlage des Urteils war die Klage auf Zulassung eines Bürgerentscheids über die Ansiedlung eines Logistikzentrums der Firma Boss im Gebiet "Großer Forst" auf der Gemarkung der Stadt Nürtingen. Ob jedoch eine mittelbare Einflussnahme auf Verbandsangelegenheiten einem Bürgerentscheid zugänglich ist, ließ das Gericht offen.

Der Kläger ist einer der Unterzeichner des Bürgerbegehrens, in welchem sich mehr als 3000 Nürtinger Bürger gegen die Ansiedlung ausgesprochen hatten. Der Bürgerentscheid wurde von der Stadt Nürtingen unter anderem deshalb nicht zugelassen, weil für die Ansiedlung von Gewerbebetrieben im "großen Forst" der "Gewerbezweckverband Wirtschaftsraum Nürtingen" zuständig sei, welchem außer der Stadt Nürtingen noch acht weitere Städte und Gemeinden angehörten.

Das Verwaltungsgericht bestätigte die Haltung der Stadt Nürtingen. Demnach können Angelegenheiten von Gemeindezweckverbänden nicht unmittelbar zum Gegenstand von Bürgerentscheiden gemacht werden. Im vorliegenden Fall war es weiterhin Ziel des Bürgerbegehrens, den Verbandsvertretern der Beklagten bestimmte Weisungen zu ihrem Abstimmungsverhalten in der Verbandsversammlung zu erteilen. Ob eine solche mittelbare Einflussnahme einem Bürgerentscheid zugänglich ist, ließ das vor Verwaltungsgericht bewusst offen, jedenfalls müssten sich solche Weisungen innerhalb der rechtlichen Bindungen der Stadt bewegen. Dies sei im vorliegenden Fall nach der Fragestellung und der Begründung des Bürgerbegehrens nicht gewährleistet.

Das betreffende Gebiet ist sowohl im Regional-, Flächennutzungs-und Bebauungsplan als gewerbliche Fläche ausgewiesen. Daher stehe die grundsätzliche Nutzung als Gewerbefläche nicht mehr zur Disposition. Durch die Verbandssatzung sind die Verbandsgemeinden verpflichtet, das Gewerbegebiet in übergemeindlicher und partnerschaftlicher Zusammenarbeit zu entwickeln. In mehreren Beschlüssen habe der Gewerbezweckverband der Ansiedlung der Firma Boss zugestimmt, die Grundsätze für den Erwerb der Grundstücke festgelegt und den Oberbürgermeister der Beklagten als Verbandsvorsitzenden ermächtigt, die entsprechenden Verträge zu schließen. Ein Abstimmungsverhalten, dass sich ohne erkennbare Veränderung der Sachlage im Widerspruch zu der gemeinsamen Beschlusslage setze, sei mit den Verpflichtungen aus der Verbandssatzung nicht vereinbar und widerspreche im Ergebnis auch dem, was der in Kraft getretene Bebauungsplan vorgebe.
Darüber hinaus sei die erstrebte Weisung an die Verbandsvertreter, weitere Schritte zu unterlassen, inhaltlich unbestimmt und habe nach den Gesamtumständen auch die Fortführung des Bebauungsplansverfahrens umfasst, was nach der Gemeindeordnung unzulässig sei.

Auch die Begründung des Bürgerbegehrens genüge nicht den Anforderungen der Gemeindeordnung, da keine sachlichen Argumente aufgeführt seien und der Inhalt der Begründung seiner allgemeinen Bezugnahme auf die "Entwicklung und Nutzung des Großen Forsts" missverständlich sei.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht.