Zur Frage des Urheberrechtsschutzes beim geplanten Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofes

01.01.2012

Zur Frage des Urheberrechtsschutzes beim geplanten Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofes

Zu: LG Stuttgart, Urteil vom 20.05.2010 - 17 O 42/10

Für den Urheberrechtsschutz eines Bauwerkes kommt es auf den ästhetischen Eindruck, welchen das Werk nach dem Durchschnittsurteil des für Kunst empfänglichen und damit einigermaßen vertrauten Menschen vermittelt.
Der Stuttgarter Hauptbahnhof ("Bonatz-Bau") fällt unter den Urheberrechtsschutz. Das urheberpersönlichkeitsrechtliche Erhaltungsinteresse wird durch die Sachherrschaft des Eigentümers begrenzt.
Bei der Gestaltung des Bahnhofes spielen Alternativen unter Verzicht auf den Teilabriss der Seitenflügel keine Rolle.

Im Zuge der Realisierung des Projekts "Stuttgart 21" streitet ein Miterbe des Architekten Bonatz um den geplanten Teilabriss des Stuttgarter Hauptbahnhofes. Das Bauwerk umfasst zwei Flügelbauten, welche sich an die Kopfbahnsteighalle anschließen. Im Jahr 1997 lobte die deutsche Bahn einen Architektenwettbewerb zum Umbau des Hauptbahnhofes und der Verlegung der Gleisanlage in den Untergrund aus. Die Auslobungsunterlagen enthalten Vorgaben aus der Sicht des Denkmalschutzes zum Erhalt des Bahnhofsgebäudes sowie zu einem möglichen Abriss aus städtebaulichen Erwägungen. Den anschließenden Wettbewerb konnte ein Entwurf für sich entscheiden, welcher den Abriss der beiden Flügelbauten vorsah. Das Planfeststellungsverfahren endete am 28.01.2005 mit dem Planfeststellungsbeschluss, in welchem der Abriss der beiden Seitenflügel sowie der Abriss der Treppenanlage in der großen Schalterhalle angeordnet wurde. Der Kläger erhob bereits im Anhörungsverfahren Einwendungen gegen den Abbruch der Flügelbauten.

Das Landgericht Stuttgart entschied zu Gunsten des Eigentümers des Bahnhofsgebäudes. Zwar genieße das Bauwerk Urheberrechtsschutz, jedoch stelle der geplante Abriss des Bahnhofsgebäudes einer nach Treu und Glauben zulässige Änderung des Bauwerks dar. Die Richter stellten in der Interessenabwägung zwischen den Persönlichkeitsrechtlichen Belangen des Urhebers und den verwertungsrechtlichen Interessen des Nutzungsberechtigten ein vorrangiges Interesse der Eigentümer des Bauwerks fest. Ein Architekt habe entsprechend dem Zweck der Beauftragung solche Änderungen nach Treu und Glauben zu dulden, welche zur Erhaltung oder Verbesserung des Gebrauchszwecks eines dem öffentlichen Zweck dienenden Gebäudes erforderlich sind. Dem Modernisierungsinteresse kommt, gerade bei einem älteren Bauwerk, eine erhebliche Bedeutung zu. Maßgebliche Faktoren bei der Interessenabwägung sind die Schöpfungshöhe des Bauwerks und die Schwere der beabsichtigten Veränderungen einerseits und das Interesse des Eigentümers an einer Modernisierung des Gebäudes und einer zweckmäßigen Nutzung des Grundstücks andererseits. Hinzu komme bei der Bewertung ein durch öffentlich-rechtliche Planungen bestehendes Allgemeininteresse, welches zu Gunsten des Eigentümers ausschlägt.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Jochen Zweschper, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.