Ist eine Fristsetzung vor Rücktritt beim Immobilien-Kauf notwendig?

01.01.2012

Ist eine Fristsetzung vor Rücktritt beim Immobilien-Kauf notwendig?

Zu: BGH, Urteil vom 12.3.2010 - V ZR 147/09

Das Recht des Käufers zum Rücktritt vom Vertrag erlischt auch dann, wenn der Mangel der Kaufsache innerhalb einer von dem Käufer gesetzten Frist zu nach Erfüllung behoben wird, obwohl es wegen eines arglistigen Verhaltens des Verkäufers im Hinblick auf den Mangel des erfolglosen Ablaufs einer Frist zu nach Erfüllung als Voraussetzung für einen Rücktritt vom Vertrag nicht bedurft hätte.
Dem Anspruch des Käufers auf Nacherfüllung wegen eines Mangels, welche durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft behoben werden soll, steht es gleich, wenn der Verkäufer den Käufer von der Forderung der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Ersatz der anteiligen Kosten der Mangelbeseitigung freistellt, sofern feststeht, dass die Durchführung der Mängelbeseitigung in angemessener Zeit vorgenommen wird und die Freistellung von den Kosten sichergestellt ist.

Das betreffende Grundstück ist nach dem Wohnungseigentumsgesetzes geteilt. In einer der Wohnungen trat Feuchtigkeit ein. In einer außerordentlichen Versammlung am 31. Oktober 2006 beschlossen die Wohnungseigentümer einen Architekten zu beauftragen, um die Ursache des Feuchtigkeitseintritts und die zur Beseitigung notwendigen Kosten festzustellen. Anschließend verkauften die Beklagten ihre Wohnung unter Ausschluss von Ansprüchen wegen Sachmängeln für 279.000 Euro an die Klägerin. Die Beklagten machten die Klägerin nicht auf die Feuchtigkeitsbeeinträchtigung der Wohnung und den Beschluss der Wohnungseigentümer vom 31. Oktober 2006 aufmerksam.

Der beauftragte Architekt ermittelte die anfallenden Kosten für die Beseitigung der Feuchtigkeitsbeeinträchtigung. In einer Versammlung der Wohnungseigentümer vom 23. April 2007 beschlossen die Wohnungseigentümer unter Beteiligung der Klägerin, welche sich der Stimme enthielt, die vom Architekten vorgeschlagenen Maßnahmen auszuführen und beauftragte den Architekten mit den notwendigen Architektenleistungen. Die Klägerin machte bei den Beklagten mit Schreiben vom 14. August 2007 verschiedene Mängel ihres Wohnungseigentums, unter anderem auch die Feuchtigkeitsbeeinträchtigung, geltend und forderte die Beklagten zur Nacherfüllung bis zum 4. September 2007 auf.

Die Beklagten verneinten die von der Klägerin geltend gemachten Mängel mit Schreiben vom 3. September 2007. Im Hinblick auf die durch Feuchtigkeit entstandenen Schäden erklärten die Beklagten, die auf die Klägerin zukommenden Kosten zu übernehmen und boten an, hierfür Sicherheit zu leisten. Die Klägerin erklärte mit Antwort vom 9. Oktober 2007 den Rücktritt vom Vertrag.

Die Klägerin verlangt Rückzahlung des Kaufpreises und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Die Klage wurde vom Landgericht abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt sie ihre Anträge weiter.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, die Klägerin habe kein Recht zum Rücktritt vom Vertrag. Mit Ausnahme der Feuchtigkeitsbeeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums bestünden die von der Klägerin behaupteten Mängel nicht. Den Mangel an Gemeinschaftseigentum hätten die Beklagten zwar arglistig verschwiegen, was die Klägerin grundsätzlich berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten, ohne eine Frist zu nach Erfüllung zu setzen. An einer dennoch gesetzten Frist müsse sie sich jedoch festhalten lassen. Die vorbehaltlose Erklärung der Beklagten, die auf die Klägerin im Zusammenhang mit der Behebung des Mangels zukommenden Kosten zu übernehmen und hierfür Sicherheit zu leisten, stehe einer Behebung des Mangels gleich. Dies halte revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

Ein Recht der Klägerin, im Hinblick auf den verschwiegenen Mangel an Gemeinschaftseigentum trotz der Erklärung der Beklagten vom 3. September 2007 zurückzutreten, bestehe nicht.

Zwar kann der Käufer einer Sache wegen eines Sachmangels grundsätzlich nur dann vom Kaufvertrag zurücktreten, in der dem Verkäufer fruchtlos eine Frist zu nach Erfüllung gesetzt hat, §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Wenn besondere Umstände vorliegen, welche unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Ausübung des Rücktrittsrechts rechtfertigen, § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB, greift diese Ausnahme. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Verkäufer bei Abschluss des Vertrages eine Täuschungshandlung begangen hat. Eine Täuschung ist grundsätzlich geeignet, das Vertrauen des Käufers in die Ordnungsmäßigkeit der Nacherfüllung zu zerstören, und lässt aus diesem Grund das Verlangen der Nacherfüllung für den Käufer in der Regel unzumutbar sein.

Hat der Käufer jedoch dem Verkäufer nach Entdeckung des verschwiegenen Mangels eine Frist zur Behebung des Mangels gesetzt, gibt er damit zu erkennen, dass sein Vertrauen in die Bereitschaft zur ordnungsgemäßen Nacherfüllung trotz des arglistigen Verhaltens des Verkäufers weiterhin besteht. Kommt der Verkäufer innerhalb der Frist dem Verlangen des Käufers nach und wird der Mangel behoben, scheidet der Rücktritt des Käufers vom Vertrag aus, weil die verkaufte Sache nunmehr vertragsgerecht ist.

So auch im vorliegenden Fall. Durch die Erklärung der Beklagten im Schreiben vom 3. September 2007 sind die Voraussetzungen eines Rechts der Klägerin, wegen des Mangels an Gemeinschaftseigentum vom Vertrag zurückzutreten, entfallen.

Die Behebung eines Mangels an Gemeinschaftseigentum durch einen Wohnungseigentümer oder einen früheren Wohnungseigentümer kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Die Wohnungseigentümer haben gegenüber der Gemeinschaft die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis ihres Miteigentumsanteils an dem Grundstück zu tragen, § 16 Abs. 2 WEG.

Ist der Käufer einer mangelhaften Eigentumswohnung von dem Mangel alleine finanziell betroffen, steht der Erfüllung des Anspruchs auf Nacherfüllung gleich, wenn der Verkäufer den Käufer von den Kosten zur Beseitigung des Mangels freistellt, die dieser gegenüber der Eigentümergemeinschaft zu tragen hat. Dass die Klägerin das Angebot der Beklagten nicht angenommen hat, ändert hieran nichts.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Jochen Zweschper, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht