Vermutung der Sittenwidrigkeit bei spekulativ überhöhtem Einheitspreis

01.01.2012

Vermutung der Sittenwidrigkeit bei spekulativ überhöhtem Einheitspreis

Zu: BGH, Beschluss vom 25.3.2010 - VII ZR 160/09

Ist der nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 oder § 2 Nr. 5 VOB/B zu vereinbarende Einheitspreis für Mehrmengen außerordentlich überhöht (im vorliegenden Fall um mehr als das 800-fache), weil der Auftragnehmer in der betreffenden Position des Leistungsverzeichnisses ein ähnlich überhöhten Einheitspreis für die ausgeschriebene Menge angeboten hat, besteht eine Vermutung für ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben des Auftragnehmers. Diese Vermutung kann nur durch Angaben zur Preisbildung widerlegt werden, welche den Schluss auf ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben ausschließen.

Ein Auftragnehmer erhielt den Zuschlag für eine Baumaßnahme zu einem Angebotspreis von circa 50 Mio. DM. Zu der von ihm zu erbringenden Leistung gehörte auch die Errichtung eines Regenauffangbeckens mit zwei Positionen "Bewehrungsstahl liefern und einbauen". Im Angebotsstadium lagen dafür keine Pläne vor. Die Menge war mit 200 kg angegeben. Das Angebot des Auftragnehmers nennt als Einheitspreis 2045 DM pro Kilogramm (!). Der ortsübliche Einheitspreis lag bei 2,47 DM pro Kilogramm. Somit war der angebotene Einheitspreis mehr als das 800-fache höher als der ortsübliche. Die nach Zuschlag erstellte Statik sahen nun nicht den Einbau von lediglich 200 kg Stahl vor, sondern jeweils circa 1400 kg. Der Auftragnehmer errechnet daraufhin auch für die Mehrmengen einen extrem überhöhten Einheitspreis und verlangt allein für die Mehrmengen eine Vergütung von circa 1,7 Millionen €. An diesen Fall hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zur Vermutung der Sittenwidrigkeit von extrem überhöhten Einheitspreisen entwickelt. Im Hinblick auf den fehlenden Informationsvorsprung des Bieters sowie auf den geringen Anteil dieser beiden Positionen an der gesamten Auftragssumme konnte das OLG Jena jedoch keine Sittenwidrigkeit feststellen, wobei es die Klage gleichwohl wegen fehlender Offenlegung der Kalkulation abwies. Der Auftragnehmer ging erneut zum Bundesgerichtshof.

Der BGH wies die Nichtzulassungsbeschwerde zurück und urteilte, dass bei extrem überhöhten Einheitspreisen eine Vermutung für ein sittlich verwertbares Gewinnstreben spricht. Diese Vermutung kann der Auftragnehmer nur durch Angaben zur Preisbildung widerlegen.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Jochen Zweschper, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.