Bürgerbegehren "Bildung für Oerlinghausen" unzulässig

01.01.2012

Bürgerbegehren "Bildung für Oerlinghausen" unzulässig


Zu: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.2.2010 - 15 B 1680/09

Das Bürgerbegehren "Bildung für Oerlinghausen" ist unzulässig. So entschied das OVG Nordrhein-Westfalen. Das Bürgerbegehren war nicht nur gegen den Ausbau der Heinz-Sielmann-Schule in Oerlinghausen gerichtet, es stellte auch unter Berücksichtigung seiner Begründung den Beschluss des Rates der Stadt Oerlinghausen über die Finanzierung der Hallenbadsanierung vom 26. März 2009 zur Disposition. Zum Zeitpunkt der Einreichung des Bürgerbegehrens im August 2009 ist dies mit Blick auf die damals bereits abgelaufene, vom Gesetz für entsprechende Bürgerbegehren vorgegebene 3-Monatsfrist nicht mehr möglich gewesen.

Der Antrag, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, vorläufig die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festzustellen, hatte keinen Erfolg, da die Antragsteller keinen Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) glaubt gemacht haben.

Das Gericht führte aus, dass Frage, Begründung und Kostendeckungsvorschlag nicht kongruent sind. Nach § 26 Abs. 2 S. 1 GO NRW muss ein Bürgerbegehren die zur Entscheidung zu bringende Frage, eine Begründung sowie einen nach den gesetzlichen Bestimmungen durchführbaren Vorschlag für die Deckung der Kosten der verlangten Maßnahmen enthalten. Dabei stehen Frage, Begründung und Kostendeckungsvorschlag in einem inneren Zusammenhang: die Begründung soll der Sache nach über die zu entscheidende Frage aufklären, der Kostendeckungsvorschlag soll über die Kostenseite dieser Frage aufklären. Daraus ergibt sich, dass die zur Entscheidung zu bringende Frage, Begründung und der Kostendeckungsvorschlag thematisch deckungsgleich sein, sich also auf denselben Gegenstand beziehen müssen.

Das Bürgerbegehren genügt auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Antragsteller diesen Anforderungen nicht. Bezieht sich sowohl die Begründung als auch der Kostendeckungsvorschlag nicht nur auf den Gegenstand der zur Entscheidung zu bringenden Frage, wird für den Bürger unklar, worüber er abstimmen soll. Vorliegend gibt es einen Unterschied zwischen der zur Entscheidung zu bringenden Frage einerseits und den Ausführungen zur Begründung des Bürgerbegehrens sowie zu seinen Kostendeckungsvorschlag andererseits. Somit erhält das Bürgerbegehren eine zusätzliche Zielrichtung.

Außerdem ist das Bürgerbegehren, entgegen der namentlich im Schriftsatz der Antragsteller zum Ausdruck gekommenen Auffassung, gemäß § 26. Abs. 3 S. 2 i.V.m. S. 1 GO NRW verfristet und daher auch aus diesem Grund unzulässig. Richtet sich ein Bürgerbegehren gegen einen Beschluss des Rates, der nicht der Bekanntmachung bedarf, muss es nach der zitierten Vorschrift innerhalb von drei Monaten nach dem Sitzungstag eingereicht sein. Das erst im August 2009 eingereichte Bürgerbegehren richtet sich unter anderem gegen den bereits oben genannten Beschluss des Rates vom 26. März 2009.

Das von § 46 Abs. 3 GO NRW erfasste fristgebundene sogenannte kassatorische Bürgerbegehren unterscheidet sich von dem nicht fristgebundenen initiierenden Bürgerbegehren dadurch, dass es notwendigerweise die Beseitigung eines Ratsbeschluss erfordert, der eine positive sachliche Regelung, also eine über die bloße Ablehnung eines Antrags hinausgehende Regelung enthält. Der Gesetzgeber wollte mit der Gebundenheit im Interesse der Stabilität und Verlässlichkeit gemeindlicher Willensbildung verhindern, dass ein sachliches Regelung Programm des Rates beliebig lange durch ein Bürgerbegehren infrage gestellt werden kann, und damit bewirken, dass es nach den im Gesetz genannten Fristen als sichere Planungsgrundlage dienen kann.

Für den die Gebundenheit auslösenden kassatorischen Charakter eines Bürgerbegehrens kommt es darauf an, ob das Bürgerbegehren bei einer verständigen Würdigung ein vom Rat beschlossenes Regelungsprogramm aufheben oder ändern will, jedenfalls dann, wenn die Aufhebung oder Änderung nicht nur ein völlig nebensächliches Detail betrifft, von dem anzunehmen ist, dass es im Kontext der durch das Bürgerbegehren zur Entscheidung gestellten Frage von bisherigen Ratsbeschlüsse nicht erfasst sein sollte.

Daran gemessen hat das Bürgerbegehren kassatorischen Charakter, soll doch durch das Begehren einer Revision des Beschlusses des Antragsgegners vom 26. März 2009 eine vermeintlich falsche durch eine bessere Entscheidung ersetzt werden. Dies wird umso deutlicher, nimmt man ergänzend den Kostendeckungsvorschlag zur Konkretisierung in den Blick. Dort wird vorgeschlagen, die Sanierung eines Hallenbades, für die vom Antragsgegner 2,6 Millionen € veranschlagt werden, auf 0,6 Millionen € zu begrenzen. Dies untermauert das Begehren der Antragsteller, auch gegen den Ratsbeschluss vom 26. März 2009 vorzugehen, um diesen durch eine vermeintlich richtige schulpolitische Entscheidung zu ersetzen. Die Frist des § 26 Abs. 2 S. 3 GO NRW ist auch nicht durch spätere Handlungen des Antragsgegners erneut ausgelöst worden. Das Bürgerbegehren ist somit unzulässig.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht