Bei fehlendem wirtschaftlichem Interesse unterliegen kommunale Immobiliengeschäfte nicht dem europäischen Vergaberecht

01.01.2012

Bei fehlendem wirtschaftlichem Interesse unterliegen kommunale Immobiliengeschäfte nicht dem europäischen Vergaberecht

Zu: EuGH, Urteil vom 25.3.2010 - C-451/08

Wenn die öffentliche Hand kein unmittelbares wirtschaftliches Interesse an einem Projekt verfolgt, unterliegen kommunale Immobiliengeschäfte mit Privatinvestoren nicht dem europäischen Vergaberecht. Diese Entscheidung erging in einem Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes vom 25.3.2010. Die bloße Ausübung städtebaulicher Regelungszuständigkeiten genügt aber nicht, um ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse der Kommune an der Bauleistung und damit einen öffentlichen Bauauftrag zwischen ihr und dem Erwerber zu begründen.

Das Gelände der früheren Wittekind-Kaserne in Wildeshausen wurde von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben an einen Mitbewerber des Klägers im Ausgangsverfahren verkauft, nachdem sich die Stadt Wildeshausen für sein Nutzungskonzept ausgesprochen hatte. Der Kläger brachte vor, der Grundstücksverkauf sei ohne öffentliche Ausschreibung nach dem europäischen Vergaberecht erfolgt und der Kaufvertrag daher nichtig. Das Oberlandesgericht setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH im Vorabentscheidungsverfahren verschiedene Fragen zur Auslegung des Begriffs "öffentlicher Bauauftrag" im Sinne der Richtlinie 2004/18/EG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge vor.

Nach dem Urteil ist der bloße Verkauf eines unbebauten oder gebauten kommunalen Grundstücks an einen privaten Investor nicht ausschreibungspflichtig. Eine Ausschreibung ist nur dann notwendig, wenn vorgesehen ist, dass die Kommune Eigentümer der Bauleistung oder des Bauwerks wird oder wirtschaftliche Vorteile aus der zukünftigen Nutzung oder Veräußerung eines Bauwerks ziehen kann. Gleiches soll gelten, wenn sich die Kommune an der Erstellung eines Bauwerks finanziell beteiligt oder die damit verbundenen Risiken im Falle eines wirtschaftlichen Fehlschlags des Bauwerkes trägt.

Durch das Urteil wird außerdem die vom deutschen Gesetzgeber im Zuge der letzten Novellierung des Vergaberecht vorgenommene Klarstellung, dass ein öffentlicher Bauauftrag einen eigenen Beschaffungsbedarf der Vergabestelle voraussetzt, bestätigt. Wie der Gesetzgeber in seiner Begründung somit zu Recht ausgeführt hat, genügt die Realisierung einer von einem Planungsträger beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung allein nicht als zu beschaffende Leistung.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht