Neugliederung der sächsischen Landkreise ist rechtmäßig

01.01.2012

Neugliederung der sächsischen Landkreise ist rechtmäßig

Der Verfassungsgerichtshof Sachsen hat mit Urteil vom 26.06.2009 (Az.: Vf. 79-II-08) entschieden, dass sowohl die Neugliederung der sächsischen Landkreise und die Bestimmung Bornas als Sitz der Kreisverwaltung durch das Kreisgebietsneuregelungsgesetz als auch die Regelungen des Verwaltungsneuordnungsgesetzes zur Aufgabenkommunalisierung im Umwelt- und Forstbereich als Beispiel der Funktionalreform mit der Sächsischen Verfassung vereinbar sind. Damit wurde ein von der Linksfraktion des sächsischen Landtages nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 2 der Sächsischen Verfassung gestellter Antrag auf Durchführung einer abstrakten Normenkontrolle als unbegründet zurückgewiesen. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes dienten die gesetzgeberischen Entscheidungen dem Wohl der Allgemeinheit und wiesen keine offensichtlichen Abwägungsfehler auf.

Der Verfassungsgerichtshof verweist hinsichtlich der Neugliederung der Kreisgebiete auf seine bereits zur kommunalen Normenkontrolle ergangene Rechtsprechung, an der er festhalte. Danach sei weder die Auflösung und Neubildung der Landkreise noch die Bestimmung Bornas als Sitz des Landratsamtes für den Landkreis Leipzig verfassungsrechtlich zu beanstanden. Die Gebietsänderungen seien aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat mit dem Neuzuschnitt der Kreise legitime Ziele verfolgt, die ihre Grundlage in der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung hätten. Mit alternativen Lösungen habe sich der Gesetzgeber ebenfalls auseinandergesetzt und mit nachvollziehbarer Begründung die Beibehaltung der bestehenden Kreisgebiete, aber auch Kooperationsmodelle und die Bildung deutlich größerer Landkreise abgelehnt. Es seien keine offensichtlichen Abwägungsfehler erkennbar.

Auch die Bestimmung Bornas als Sitz der Kreisverwaltung für den Landkreis Leipzig diene dem Allgemeinwohl. In dem bei der Abwägung als entscheidend herangezogenen Aspekt der Entwicklung des Südraums Leipzig als Bergbaufolgelandschaft sieht der Verfassungsgerichtshof ein Kriterium, das sachgerecht an landesplanerische Zielsetzungen und das Leitbild der zentralörtlichen Stabilität anknüpfe.

Nach Ansicht des Gerichts sind die beispielhaft angegriffenen Regelungen der Funktionalreform ebenfalls nicht zu beanstanden. Bei der Verteilung staatlicher Aufgaben zwischen Landesbehörden und Träger kommunaler Selbstverwaltung gehe Art. 85 der Sächsischen Verfassung vom Prinzip der gestuften Aufgabenwahrnehmung aus. Sofern Träger der kommunalen Selbstverwaltung solche Aufgaben zuverlässig und zweckmäßig wahrnehmen können, solle ihnen deren Erledigung übertragen werden. Die Verfassung räume mit den Merkmalen der Zuverlässigkeit und Zweckmäßigkeit dem Gesetzgeber einen Prognose- und Einschätzungsspielraum ein. Deshalb sei die Kontrollbefugnis des Verfassungsgerichtshofes beschränkt. Der Verfassungsgerichtshof dürfe lediglich nachprüfen, ob der Gesetzgeber alle ihm mit vertretbarem Aufwand zugänglichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft und seine Entscheidung keine unvertretbaren tatsächlichen Annahmen zugrunde gelegt hat, sowie ob die Prognose auf methodischen Fehlern beruht oder sonst eindeutig fehlerhaft erscheint.

Der Verfassungsgerichtshof kann eine Überschreitung des Prognose- und Einschätzungsspielraums nicht erkennen. Den für seine Entscheidung relevanten Sachverhalt habe der Gesetzgeber umfassend ermittelt. Die Gesetzesinitiative der Staatsregierung habe auf dem Gutachten eines pluralistisch zusammengesetzten Gremiums von Sachverständigen beruht, das die einzelnen Behörden auf ihr bisheriges Aufgabenprofil und das bestehende Potenzial zur Aufgabenverlagerung und Personaleinsparung hin untersucht habe. Das Gremium habe eine Aufgabenbündelung mit Kommunalisierungselementen favorisiert, wie sie der Gesetzgeber nachfolgend auch umgesetzt habe.

Dem Verfassungsgerichtshof zufolge ist die Entscheidung des Gesetzgebers für eine weitgehende Aufgabenkommunalisierung im Bereich der Umwelt- und Forstverwaltung nicht offensichtlich fehlerhaft. Im Bereich des Immissionsschutzes sowie der Abfallwirtschaft und des Bodenschutzes habe der Gesetzgeber außerdem eine Regelungstechnik gewählt, die es dem zuständigen Fachministerium gestatte, bestimmte Aufgaben im Wege einer Rechtsverordnung von der Kreisebene wieder nach oben zu verlagern. Das Fachministerium könne damit zeitnah auf Defizite reagieren, die im Verwaltungsvollzug sichtbar werden. Der Landtag habe sich darüber hinaus für den Erhalt der Landesdirektionen als Mittelbehörden entschieden und diese mit umfassenden Weisungsrechten gegenüber den Landkreisen und Kreisfreien Städten ausgestattet. Auf diesem Wege werde die notwendige fachliche Hilfe beim Verwaltungsvollzug gewährleistet. Darüber hinaus sei Personal der bisherigen Umweltfachbereiche der Regierungspräsidien auf die Kreisebene übergegangen. Zwar könne mit der Aufteilung dieses Personals ein Verlust an Spezialisierungstiefe einhergehen. Mit der Gebietsneugliederung seien aber zugleich leistungsfähigere Kreise geschaffen worden, die über eine personalstarke Umweltverwaltung verfügten und damit neue Spezialisierungen zuließen. Es gebe für eine abweichende Einschätzung im Bereich der Forstverwaltung keinen Anlass. Hier habe der Gesetzgeber selbst die Zuständigkeiten abschließend zugeordnet und den Staatsbetrieb Sachsenforst als Mittelbehörde mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht