Zulässigkeit von Wohnungsprostitution im Sperrbezirk

01.01.2012

Zulässigkeit von Wohnungsprostitution im Sperrbezirk

Am 28.04.2009 (Az.: 1 BvR 224/07) hatte das Bundesverfassungsgericht über die Zulässigkeit der Wohnungsprostitution in einem Sperrbezirk zu entscheiden.

Der Beschwerdeführer beantrage einen Bauvorbescheid über die Zulässigkeit der Nutzung einer in Mannheim gelegenen Wohnung zum Zweck der Wohnungsprostitution. Von der Baurechtsbehörde wurde dieser Antrag abgelehnt, weil die Wohnung in einem Sperrbezirk liege. Auch die Klage, mit der der Beschwerdeführer geltend machte, dass das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten von Dezember 2001 die Prostitution vom Makel der Sittenwidrigkeit befreit habe und die Sperrbezirksverordnung verfassungswidrig und damit nichtig sei, weil die Ermächtigungsgrundlage in Art. 297 EGStGB gegen Art. 12 GG verstoße, wurde abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab.

Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen. Das Gericht war der Ansicht, dass die Ermächtigungsgrundlage für die Sperrbezirksverordnung in Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGStGB insbesondere in Einklang mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG steht. Außerdem verstoße sie nicht gegen das Gebot der Normklarheit und Widerspruchsfreiheit und sei sowohl mit dem Freiheitsgrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG als auch mit der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG und der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar.

Nach den für Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG geltenden Grundsätzen sei insbesondere der unbestimmte Rechtsbegriff des öffentlichen Anstandes durch die Rechtsprechung und auch den Gesetzgeber hinreichend präzisiert. Ein Normverständnis des Art. 297 EGStGB, wonach jede Ausübung der Prostitution zugleich den öffentlichen Anstand verletzt, würde allerdings der Vorschrift offensichtlich nicht gerecht. Mit dem Schutz des öffentlichen Anstands werde nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nicht die Wahrung der allgemeinen Sittlichkeit bezweckt. Wäre dies der Fall, wäre die Vorschrift in der Tat verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt. Demgegenüber verstünden die Fachgerichte Art. 297 EGStGB in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als eine Norm auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr mit der Zielsetzung, das Zusammenleben der Menschen zu ordnen, soweit ihr Verhalten sozialrelevant ist, nach außen in Erscheinung tritt und das Allgemeinwohl beeinträchtigten kann. Handlungen und Zustände, die eine enge Beziehung zum Geschlechtsleben haben, könnten Belange des Allgemeinwohls insbesondere dann beeinträchtigen, wenn Dritte dadurch erheblich belästigt würden. Dies gelte insbesondere für die Begleitumstände der Prostitution. Des Wegen könne der Erlass einer Sperrbezirksverordnung zum Schutze des öffentlichen Anstandes insbesondere damit gerechtfertigt werden, dass die Eigenart des betroffenen Gebietes durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität, z.B. als Gebiet mit hohem Wohnanteil sowie Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen gekennzeichnet ist und eine nach außen in Erscheinung tretende Ausübung der Prostitution typischerweise damit verbundene Belästigung Unbeteiligter und "milieubedingter Unruhe", wie z.B. das Werben von Freiern und anstößiges Verhalten gegenüber Passantinnen und Anwohnerinnen befürchten lässt.

Ein Verstoß gegen das Gebot der Normklarheit und Widerspruchsfreiheit gesetzlicher Regelung ist auch nicht erkennbar. Insbesondere ergebe sich aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber bewusst von einer Änderung des Art. 297 EGStGB Abstand genommen hat, kein rechtsstaatswidriger Widerspruch zum Prostitutionsgesetz. Die Festsetzung von Sperrbezirken auf der Grundlage des Art. 297 EGStGB diene nur der lokalen Steuerung der Prostitutionsausübung aus ordnungsrechtlichen Gründen, stellt aber die sonstige Legalisierung der Prostitutionsausübung nicht in Frage. Die Ermächtigung zum Erlass einer Sperrbezirksverordnung nach Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGStGB für Teile des Gemeindegebiets stelle sowohl für Prostituierte als auch für sonstige Personen, die im Umfeld der Prostitution eine berufliche Tätigkeit entfalten, eine zulässige Berufsausübungsregelung dar. Als vernünftige Gründe des Gemeinwohls seien der "Schutz der Jugend" und der "Schutz des öffentlichen Anstandes" legitime gesetzgeberische Ziele, die einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit rechtfertigen. Die Norm sei insbesondere auch geeignet und erforderlich, um den vom Gesetzgeber erstrebten Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstands zu erreichen. Zwar werde die Wohnungsprostitution häufig deutlich weniger wahr genommen als die Straßen- und die Bordellprostitution. Belästigungen der Anwohner, milieubedingte Unruhe, das Ansprechen Unbeteiligter sowie das Anfahren und Abfahren der Freier als sichtbare Begleiterscheinungen der Prostitution könnten jedoch nicht von vornherein für den Bereich der Wohnungsprostitution als ausgeschlossen betrachtet werden. In welchem Umfang und mit welchen Maßgaben sich der Erlass einer Sperrbezirksverordnung im Einzelfall unter Berücksichtigung der davon beeinträchtigten Grundrechte als verhältnismäßig erweist, sei daher vor allem bei Erlass der jeweiligen Sperrbezirksverordnung unter Abwägung aller betroffenen Rechtspositionen und öffentlichen Belange zu entscheiden. Auch eine geringe öffentliche Sichtbarkeit der Wohnungsprostitution könne auf dieser Ebene beim Ausglich aller Interessen angemessenen Rechnung getragen werden.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht