Rechtsfolgen eines spekulativ überhöhten Einheitspreises im Bauvertrag

01.01.2012

Rechtsfolgen eines spekulativ überhöhten Einheitspreises im Bauvertrag

Der Bundesgerichtshof hat am 18.12.2008 (Az.: VII ZR 201/06) entschieden, welche Rechtsfolgen die Vereinbarung eines spekulativ überhöhten Einheitspreises einer Position eines Bauvertrages hat, wenn sich gerade in dieser Position Mengenmehrungen realisieren.

Das klagende Bauunternehmen verlangte vom öffentlichen Auftraggeber Mehrvergütung wegen Mengenüberschreitungen in zwei Positionen des Leistungsverzeichnisses der Beklagten, die die Lieferung von Betonstahl und Betonstahlmatten betreffen. Herausgestellt hatten sich die Mehrmengen von ca. 1.400 kg, nachdem der Auftraggeber für einen bestimmten Baubereich eine bislang fehlende Statik nachgeliefert hatte. Ihre Mehrvergütung berechnete die Klägerin nach § 2 Nr. 3 bzw. 5 VOB/B unter Heranziehung des von ihr im Leistungsverzeichnis eingesetzten Einheitspreises mit 2.045,15 DM/kg. Dieser Preis lag um mehr als das 800fache über dem allgemein üblichen Durchschnittspreis von 2,47 DM/kg. Diese Positionen wurden von anderen Bietern für 1,05 DM/kg bis 5,93 DM/kg angeboten. Die Klagte wurde in diesem Punkt vom Landgericht abgewiesen. Das Oberlandesgericht hatte ihr teilweise stattgegeben.

Vor dem Bundesgerichtshof führte die zugelassene Revision zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht. Der Bundesgerichtshof sah berechtigten Anlass zu der Prüfung, ob die auf die Vergütung der Mehrmengen gerichtete Preisvereinbarung gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB verstößt. Eine Vereinbarung zwischen Bauvertragsparteien, nach der dem Auftragnehmer für diejenigen Mengen einer Position, die über die im Leistungsverzeichnis geschätzten Mengen hinausgehen, ein Einheitspreis gezahlt wird, der den üblichen Preis um mehr als das Achthundertfache übersteigt, verstoße gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn der Preisbildung ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben zugrunde liegt. Bei einem derart auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung bestehe dafür die Vermutung, die der Auftragnehmer widerlegen kann. Allerdings werde sie nicht allein dadurch ausgeräumt, dass im Baugewerbe üblicherweise so genannte Spekulationspreise eingesetzt werden, wenn für den Auftragnehmer die Erwartung besteht, dass die in der Ausschreibung geschätzten Mengen in Wahrheit deutlich höher sind.

Der Bundesgerichtshof hat die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, da der Klägerin Gelegenheit gegeben werden muss, die Vermutung ihrer verwerflichen Gesinnung zu widerlegen. Das Berufungsurteil auf die Anschlussrevision der Klägerin wurde gleichzeitig ausgehoben, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Dessen Begründung zur Klageabweisung, der Preis müsse auf das Zweihundertfache des üblichen Preises angepasst werden, finde im Gesetz keine Stütze.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Jochen Zweschper, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht