Der Informationsanspruch eines Abgeordneten kann auch Daten über ein privates Unternehmen umfassen

01.01.2012

Der Informationsanspruch eines Abgeordneten kann auch Daten über ein privates Unternehmen umfassen

Der Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 19.08.1008 (Az.: VerGH 7/07) entscheiden, dass die nordrhein-westfälische Landesregierung den verfassungsrechtlichen Informationsanspruch des Landtagsabgeordneten Reiner Priggen verletze hat, indem sie von ihm gestellte parlamentarische Anfragen zu steinkohlepolitischen Themen in einigen Punkten nicht oder nur uneingeschränkt beantwortet hat. Der Auskunftsanspruch des Abgeordneten könne auch solche Daten umfassen, die ein privates Unternehmen beträfen.

Der Antragsteller hatte am 09.08.2006 15 kleine Anfragen mit insgesamt 67 Unterfragen an die Landesregierung gerichtet. Unter anderem betreffen die Fragen konzerninterne Erträge der Ruhrkohle Aktiengesellschaft (RAG AG), den Finanzbedarf für Altlasten und so genannte Ewigkeitskosten des Steinkohlebergbaus, die diesbezügliche Haftung der RAG-Gesellschafter sowie die Förderkosten und Investitionsplanungen der noch aktiven Bergwerke.

Das Gericht führte in der mündlichen Urteilsbegründung aus, dass der verfassungsrechtliche Status des Abgeordneten einen grundsätzlichen Anspruch auf vollständige und zutreffende Beantwortung seiner an die Landesregierung gerichteten parlamentarischen Anfragen umfasse. Dieses Fragerecht erstrecke sich auf alle Gegenstände, für welche die Regierung zuständig sei. Auch ein privates Unternehmen könne im Einzelfall Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage sein, wenn der Staat mit ihm im eigenen Interesse intensiv zusammenarbeite und einen entsprechenden Einfluss ausübe. Hinsichtlich der RAG AG sei dies der Fall, da zwischen den Geschäftsinteressen des Unternehmens und den energiepolitischen Belangen des Staates eine enge funktionale Verzahnung bestehe. Diese komme unter anderem in der Höhe der dem Unternehmen gewährten Subventionen zum Ausdruck.

Zwar werde die Pflicht der Landesregierung zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen unter anderem durch den grundrechtlich gewährleisteten Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen begrenzt. Da grundrechtlicher Datenschutz und parlamentarischer Informationsanspruch gleichermaßen auf der Ebene des Verfassungsrechts angesiedelt seien, müssten sie aber einander so zugeordnet werden, dass beide so weit wie möglich ihre Wirkungen entfalten. Die Landesregierung habe im Rahmen der hiernach gebotenen Abwägung auch die Möglichkeit einer Unterrichtung des Abgeordneten in nichtöffentlicher, vertraulicher oder geheimer Form in Betracht zu ziehen.

Soweit die vom Antragsteller erbetenen Informationen über die RAG AG der Landesregierung nicht verfügbar gewesen seien und das Unternehmen ihre Offenlegung aus Gründen des Geheimnisschutzes verweigert habe, habe die Landesregierung hinreichende Bemühungen um ihre Erlangung entfaltet. Eine Verletzung des Informationsanspruches der Landtagsabgeordneten Priggen läge insoweit nicht vor, denn die Antwortpflicht beschränke sich auf solche Informationen, die der Landesregierung vorlägen oder von ihr mit zumutbarem Aufwand beschafft werden könnten.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht