Ist der öffentliche Auftraggeber berechtigt einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen?

01.01.2012

Ist der öffentliche Auftraggeber berechtigt einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen?

Das Oberlandesgericht München hat sich mit Beschluss vom 11.06.2008 (Az.: Verg 6/08) mit der Frage auseinandergesetzt, ob der öffentliche Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer einen Rechtsanwalt hinzuziehen darf und dessen Kosten erstattet bekommt. Im Ergebnis kam das Gericht zu der Auffassung, dass dies nicht allgemein, sondern nur anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden kann.

Die Vergabestelle schaltete im vorliegenden Fall vor der Vergabekammer einen Rechtsanwalt ein. Der Bieter unterlag in diesem Rechtsstreit und bekam die Rechtsanwaltskosten auferlegt. Dagegen legte er sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht ein. Das Oberlandesgericht gab nun der Vergabestelle Recht. Ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch einen öffentlichen Auftraggeber notwendig war und dessen Kosten deshalb nach § 128 Abs. 4 Satz 2 und 3 GWB i.V.m. Art. 80 BayVwVfG zu erstatten sind, bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls. Wenn die Problematik des Nachprüfungsverfahrens mehr auf auftragsbezogenen Sach- und Rechtsfragen beruht und der öffentliche Auftraggeber über juristisch hinreichen geschultes Personal verfügt, welches zur Bearbeitung der im jeweiligen Nachprüfungsverfahren relevanten Sach- und Rechtsfragen in der Lage ist, spricht dies gegen die Notwendigkeit, einen Rechtsanwalt einzuschalten. Wenn zu den auftragsbezogenen Rechtsfragen jedoch noch weitere, nicht einfach gelagerte Rechtsfragen hinzutreten, spricht dies vielmehr für eine Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts. Auch dass die Nachprüfungsverfahren unter einem enormen Beschleunigungs- und Zeitdruck stehen und das Vergaberecht eine komplexe Rechtsmaterie darstellt, kann es notwendig machen, einen Rechtsanwalt hinzuziehen um der Vergabestelle eine sachgerechte Vertretung zu ermöglichen.

Das Oberlandesgericht kam im vorliegenden Fall zur folgender Abwägung. Es handelte sich bei der Ausschreibung um eine der umfangreichsten im Rahmen des bayerischen Schienenpersonennahverkehrs. Neben Fragen, die mit dem Auftrag selbst zusammenhingen, war das Ausschreibeverfahren auch Fragen grundsätzlicher Art auf. Zur Sicherstellung einer rechtzeitigen Aufnahme des Schienenverkehrs, welche umfangreiche zeitgerechte Investitionen voraussetzt, hatte die Vergabestelle ein berechtigtes Interesse an einer möglichst wirkungsvollen und schnellen Abwehr der erhobenen Rügen und Nachprüfungsanträge und damit auch an einer versierten rechtlichen Vertretung. Bei dem hier vorliegenden konkreten umfangreichen Projekt ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt geboten, der die rechtlichen Probleme entsprechen aufbereiten und die Interessen der Vergabestelle vor der Vergabekammer effektiv vertreten kann. Dies wäre selbst dann der Fall, wenn die Vergabestelle über eine eigene Rechtsabteilung und juristisch geschultes Personal verfügen sollte.