Mängel bei der Ermittlung und Bewertung privater Belange sind unbeachtlich, wenn sie auf das Ergebnis keinen Einfluss hatten

01.01.2012

Mängel bei der Ermittlung und Bewertung privater Belange sind unbeachtlich, wenn sie auf das Ergebnis keinen Einfluss hatten

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 09.04.2008 (Az.: 4 CN 1.07) entschieden, dass von der Planung berührte, nicht zutreffend ermittelte oder bewertet Belange bereits dann "wesentliche Punkte" im Sinne der Planerhaltungsvorschriften des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB betreffen, wenn diese Punkte in der konkreten Planungssituation abwägungserheblich waren. Jedoch ist ein solcher Mangel bei der Ermittlung und Bewertung der von der Planung negativ betroffenen privaten Belange für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans dann nicht beachtlich, wenn er auf das Ergebnis des Verfahrens nicht von Einfluss gewesen ist.

Im zu entscheidenden Fall wendete sich die Besitzerin einer Cocktailbar gegen einen Bebauungsplan, der für einen Teilbereich der Kölner Neustadt aufgestellt worden war. Der Plan trifft innerhalb des besonderen Wohngebietes gesonderte Festsetzungen, die in bezeichneten Bereichen Schank- und Speisewirtschaften grundsätzlich ausschließen. Dadurch sollte eine weitere, zu Lasten des Wohnens gehende Durchmischung von Wohnungen und gewerblichen Nutzungen verhindert werden.

Die Besitzerin der in dem besonderen Wohngebiet gelegenen Cocktailbar wollte diese nun in das Kellergeschoss hinein erweitern. Das Oberverwaltungsgericht erklärte auf die Klage der Besitzerin lediglich zwei Festsetzungen für unwirksam. Unter anderem wurde festgestellt, dass drei Diskotheken innerhalb eines größeren städtischen Quartiers auf verschiedene Standorte verteilt sind und, selbst wenn sie kerntypisch wären, das Gebiet nicht zu einem faktischen Kerngebiet machen würden. Die Barbesitzerin begehrte mit der gegen diese Entscheidung eingelegten Revision, den Bebauungsplan insgesamt für unwirksam zu erklären. Dies lehnte das Bundesverwaltungsgericht nun ab.

Das Bundesverwaltungsgericht räumte zwar ein, dass das Oberverwaltungsgericht unter der Annahme, die Behörde habe die von der Planung negativ berührten Belange nicht zutreffend ermittelt und bewertet, diesen Fehler irrtümlich für unbeachtlich im Sinne des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB hält. Für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans ist der unterstellte, wesentliche Punkte betreffende Mangel bei der Ermittlung und Bewertung der von der Planung negativ betroffenen privaten Belange jedoch gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB nur deshalb nicht von Bedeutung, weil er auf das Ergebnis des Verfahrens nicht von Einfluss gewesen ist.

Wesentlich im Sinne des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB sind bei der Sammlung und Aufbereitung des Abwägungsmaterials nicht erst Mängel, die sich auf "gravierende Fehleinschätzungen in für die Planung wesentlichen Fragen" beziehen. Von der Planung berührte, durch die Gemeinde nicht zutreffend ermittelte oder bewertet Belange betreffen bereits dann "wesentliche Punkte", wenn diese Punkte in der konkreten Planungssituation abwägungsbeachtlich waren. Wesentliche Punkte im vorliegenden Fall sind die Fragen, ob die drei im südlichen Planbereich vorhandenen Diskotheken nur in einem Kerngebiet planungsrechtlich zulässig wären und ob die Schank- und Speisewirtschaften auf den rückwärtigen der Straße abgewandten Teil, den gesonderten ausgewiesenen Teilflächen, ihre planungsrechtliche Zulässigkeit verlieren. Nach Ansicht des Gerichts war das Interesse der betroffenen Grundstückseigentümer und Betriebsinhaber daran, dass ihre ausgeübten Nutzungen in vollem Umfang planungsrechtlich zulässig bleiben, abwägungsrelevant. Dass die in Rede stehenden Nutzungen im vorliegenden Fall nicht schutzwürdig oder nur geringfügig betroffen sein könnten, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt.

Für das Bundesverwaltungsgericht ist, auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen, die das Oberverwaltungsgericht zu den örtlichen Verhältnissen und dem Abwägungskonzepte der Behörde getroffen hat, die konkrete Möglichkeit, dass die Behörde anderes geplant hätte, wenn sie die hier in Rede stehenden abwägungserheblichen Belange zutreffen ermittelt und bewertet hätte, jedoch auszuschließen. Die Behörde hat nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts erkannt, dass sie eine "Vielzahl" vorhandener wohnfremder Nutzungen auf den passiven Bestandsschutz gesetzt hat. Für die Abwägung war mithin nicht entscheidend, welche Nutzungen im Einzelnen ihre planungsrechtliche Zulässigkeit verlieren.