Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Kommunalwahlen in Thüringen unzulässig

01.01.2012

Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Kommunalwahlen in Thüringen unzulässig

In einem konkreten Normenkontrollverfahren hat der Thüringer Verfassungsgerichtshof am 11.04.2008 (Az.: VerfGH 22/05) entschieden, dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Wahlen zu den Gemeinderäten und Kreistagen gegen die Verfassung verstößt und ab den nächsten landesweiten Kommunalwahlen nicht mehr anwendbar ist. Die Sperrklausel stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl der Landesverfassung. Dadurch seien kleine Parteien benachteiligt, ihre Stimme zähle nicht, soweit sie an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten.

Aus Anlass einer Wahlanfechtung zur Stadtratswahl in Weimar hatte das Verwaltungsgericht Weimar dem Verfassungsgerichtshof Thüringen die Frage vorgelegt, ob die Bestimmung über die Fünf-Prozent-Sperrklausel im Thüringer Kommunalwahlgesetz mit der Thüringer Verfassung vereinbar ist.

Der Verfassungsgerichtshof kam zu dem Entschluss, dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel gegen Art. 95 S. 1 der Thüringer Verfassung verstößt. Davon umfasst sei der Grundsatz der Wahlgleichheit, der beinhalte, dass bei der in Thüringen bei Kommunalwahlen geltenden Verhältniswahl grundsätzlich jede abgegebene gültige Stimme den gleichen Wert haben muss. Da die Stimmen bei der Sitzverteilung im Ergebnis nicht mitzählten, die auf Parteien, Wählergruppen oder Einzelbewerber entfielen, die die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwänden, führe diese zu einer Ungleichbehandlung der Stimmen.

Gründe die diese Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Für eine Beschränkung im Wahlrechte begründe weder eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Volksvertretung noch die Gefahr der Anwesenheit radikaler Parteien eine Rechtfertigung. In einer Beweisaufnahme hätten keine Tatsachen festgestellt werden können, die im Falle des Wegfalls der Sperrklausel eine Störung der Funktionsfähigkeit der Kommunalvertretung begründen würden. In der Thüringer Kommunalordnung seien genügend Bestimmungen enthalten, die die Funktionsfähigkeit der kommunalen Volksvertretung gewährleisteten.

Auch bestehe keine Gefährdung des Gemeinwohls, wenn mehreren Parteien, Wählergruppen und Einzelbewerber der Einzug in die kommunalen Vertretungsorgane gelinge. Eine Rechtfertigung der Fünf-Prozent-Sperrklausel mit dem Argument, dass ansonsten die Gefahr bestehen würde, dass radikalen Parteien der Sprung in die Kommunalvertretung gelingen würde, sei auch nicht möglich. Parteien, die nicht verboten sind, dürften durch Wahlgesetzgebung nicht benachteiligt werden. Nur durch ein Parteiverbot durch das Bundesverfassungsgericht könne ein Ausschluss bewirkt werden.

Der Verfassungsgerichtshof will trotz des Verstoßes gegen die Thüringer Verfassung nicht die Ergebnisse zurückliegender Wahlen angreifen. Den Wählern sei die Sperrklausel bekannt gewesen und sie hätten ihr Wahlverhalten darauf eingestellt, so dass eine Neuberechnung das Wahlergebnis nicht besser darstellen würde. Erst bei den nächsten landesweiten Kommunalwahlen sei die Sperrklausel nicht mehr anzuwenden. So werde dem Gesetzgeber eine angemessene Übergangsfrist eingeräumt, um auf den Wegfall der Fünf-Prozent-Sperrklausel entsprechend reagieren zu können.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht