Anwohner hat Schutzanspruch gegen potenzielle Anschläge auf Standortzwischenlager

01.01.2012

Anwohner hat Schutzanspruch gegen potenzielle Anschläge auf Standortzwischenlager

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 10.04.2008 (Az.: 7 C 39.07) entschieden, dass der Nachbar eines Standortzwischenlagers vor Gericht die dafür erteile atomrechtliche Genehmigung mit der Begründung abwehren kann, dass der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter nicht gewährleistet ist. Die Genehmigungsbehörde hat in eigener Verantwortung zu beurteilen, ob und in welchem Umfang ein solcher Schutz geboten ist. Von den Gerichten ist ihre Entscheidung dahin zu überprüfen, ob die behördliche Risikoermittlung und Risikobewertung auf einer ausreichenden Datenbasis beruht und dem Stand von Wissenschaft und Technik entspricht.

Mit der Begründung, dass die Vorschrift über den Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter ausschließlich dem Interesse der Allgemeinheit diene, hat das zur Überprüfung der Genehmigung für das Zwischenlager Brunsbüttel zuständige Oberverwaltungsgericht den vom Kläger geforderten Drittschutz abgelehnt. Soweit das Gesetz den Betreiber zur Gewährleistung des erforderlichen Schutzes gegen Risiken infolge eines gezielten Flugzeugabsturzes auf das Zwischenlager oder eines Beschusses der Castorbehälter mit panzerbrechenden Waffen verpflichte, diene das nicht dem Schutz individueller Rechtsgüter.

Der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist nun das Bundesverwaltungsgericht entgegengetreten. Die Richter waren der Ansicht, dass der Schutz gegen terroristische Anschläge auf ein Standortzwischenlager dem Anwendungsbereich des Atomgesetztes unterfällt. Es diene auch dem Schutz individueller Rechtsgüter der in der Nähe des Zwischenlagers wohnenden Nachbarn, gegen solche Risiken Vorsorge zu betreiben. Der Anlagenbetreiber werde nicht durch die staatliche Terrorbekämpfung von der Pflicht zur Schaffung von Maßnahmen zum Schutz der Anlage und ihres Betriebs, die in seinen Verantwortungsbereich fallen, entbunden.

Einen Schutzanspruch Drittbetroffener auf Vorsorge gegen terroristische Anschläge, schloss das Bundesverwaltungsgericht für den Fall aus, in dem die Genehmigungsbehörde diese Risiken willkürfrei dem Bereich des Restrisikos zuordnen durfte. Das Oberverwaltungsgericht hatte keine tatsächlichen Feststellungen darüber getroffen, ob die Behörde davon ausgehen durfte, dass der erforderliche Schutz gegen die Risiken für Leben und Gesundheit des Klägers infolge eines gezielten Flugzeugabsturzes auf das Zwischenlager und durch einen Beschuss der Castorbehälter mit panzerbrechenden Waffen nach dem integrierten Sicherungs- und Schutzkonzept gewährleistet ist, oder ob sie die Risiken als "praktisch ausgeschlossen" dem Bereich des hinzunehmenden Restrisikos zuordnen durfte. Die Sache muss deswegen zur weitern Aufklärung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden.