Scientology muss Sondernutzungsgebühren für Informationsveranstaltungen zahlen

01.01.2012

Scientology muss Sondernutzungsgebühren für Informationsveranstaltungen zahlen

Am 16.01.2008 hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschieden, dass für Informationsveranstaltungen der "Church of Scientology" in der Stuttgarter Innenstadt Sondernutzungsgebühren erhoben werden dürfen. Diese Informationsveranstaltungen dienten weder gemeinnützigen Zwecken noch öffentlichen Interessen und werden als Weberveranstaltungen eingestuft.

Der "Church of Scientology International, Los Angeles" erteilte die Stadt Stuttgart im Herbst 2002 eine Genehmigung für Veranstaltungen ihrer "ehrenamtlichen Geistlichen", die im Rahmen einer Rundreise durch Europa in drei Zelten auf einer Fläche von insgesamt 280 m² ihre "uneigennützige Arbeit" vorstellen und zur "Harmonisierung von Seele und Körper" anleiten sollten. Hierfür wurde von der Stadt eine Sondernutzungsgebühr von 18.568 € festgesetzt. Vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart blieb die dagegen erhobene Klage ohne Erfolg. Die Berufung der Klägerin hat nun der Verwaltungsgerichthof Baden-Württemberg zurückgewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof teilte die Bedenken der Klägerin gegen die Gültigkeit der für die Erhebung von Sondernutzungsgebühren geltenden Satzung nicht. Denn sie unterscheide in zulässiger Weise nach dem objektivierten Nutzen an der jeweiligen Art von Sondernutzung. Die Klägerin gehöre nicht zu den als gemeinnützig anerkannten Religionsgemeinschaften mit dem Recht der Steuerbefreiung, für deren Informationsstände überhaupt keine Sondernutzungsgebühren erhoben werden dürften. Weder habe die Sondernutzung im öffentlichen Interesse gelegen noch ausschließlich gemeinnützigen Interessen gedient. Dafür reichten weder die Information über den Einsatz der "ehrenamtlichen Geistlichen" in Entwicklungsprojekten noch die praktischen Anleitungen und Übungen der ehrenamtlichen Geistlichen, die der Harmonisierung von Seele und Körper dienen sollen.

Der Verwaltungsgerichthof entschied darüber hinaus, dass auch die Höhe der Sondernutzungsgebühr nicht zu beanstanden sei. Die Stadt habe zutreffen den für "Werbeveranstaltungen" vorgesehenen Gebührensatz zu Grunde gelegt. Die Klägerin verfolge mit der Darstellung ihrer Aktivitäten das Ziel, bei den Besuchern ein positives Bild zu erzeugen und den vielfältigen kritischen Stimmen in Medien und Öffentlichkeit wirksam entgegenzutreten. Der werbende Charakter der Veranstaltung sei gerade vor dem Hintergrund der umfassenden wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin und ihrer Untergliederungen zu sehen. Hingegen komme es nicht darauf an, dass unmittelbar bei der Veranstaltung keine Bücher oder Kurse angeboten oder verkauft worden sind. Dass die für Werbeveranstaltungen Anderer erhobenen Sondernutzungsgebühren durchweg niedriger gewesen sein, liege an der kürzeren Zeitdauer sowie an dem geringeren Flächenbedarf der Veranstaltungen der anderen Straßennutzer.

Die Klägerin kann nach Ansicht des Verwaltungsgerichthofes der Beurteilung, dass die Veranstaltung jedenfalls mittelbar ihren ökonomischen Interessen gedient hat, nicht entgegenhalten, dass sie sich selbst als Religionsgemeinschaft versteht. Selbst wenn ihr die Eigenschaft einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft zukommen sollte, müsse sie dennoch straßenrechtliche Vorschriften einhalten und sei nicht von der Einhaltung allgemeiner wertneutraler Normen befreit. Prinzipiell seien das behördliche Kontrollverfahren der Sondernutzungserlaubnis und das damit verbundene Gebührenrecht mit dem Grundrecht der Glaubensfreiheit (Art. 4. Abs. 1 GG) zu vereinbaren. Der Stadt werde durch die Gebührensatzung auch kein Ermessen eingeräumt, bei dessen Ausübung Grundrechte zu berücksichtigen sind. Es sei deswegen auch unbeachtlich, wenn der Gemeinderat und die Verwaltung der Stadt seit 1997 das Ziel verfolgen sollten, der Klägerin im Stadtgebiet keinerlei Möglichkeit der Werbung und Missionierung zu geben. Auch könne sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass die Stadt in einzelnen Fällen anderen Nutzern die Gebühren ermäßigt habe. Die Ermäßigungen seien nur erfolgt, da die Sondernutzungen durch Baustellen gestört worden seien.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht