Die Aufhebung der Ausschreibung ist gerechtfertigt, wenn vergaberechtswidrige Anforderungen an die Bieter gestellt werden

01.01.2012

Die Aufhebung der Ausschreibung ist gerechtfertigt, wenn vergaberechtswidrige Anforderungen an die Bieter gestellt werden

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat mit Beschluss vom 02.03.2007 (11 Verg 14/06) entschieden, dass ein schwerwiegender Grund im Sinne des § 26 Nr. 1 c VOB/A, der die Aufhebung der Ausschreibung rechtfertigt, vorliegen kann, wenn die Ausschreibung vergaberechtswidrige Anforderungen an die Bieter enthält, die zu einer Beschränkung des Bieterkreises führen. Die Aufhebung der Ausschreibung ist unabhängig davon geboten, ob die Vergabestelle hinsichtlich der rechtswidrigen Vergabebedingungen ein Vorwurf trifft, wenn der Mangel des Verfahrens nichts anders als im Rahmen einer Neuausschreibung behoben werden kann.

Zur Erweiterung des Streckenbeeinflussungssystems werden im Mai 2006 Bauleistungen auf der Bundesautobahn 5 europaweit ausgeschrieben. Unter anderem enthalten die Verdingungsunterladen die ?Bewerbungsbedingungen für die Vergabe von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau, Ausgabe 2002?. In teil B Nr. 6 lautete es: ? Der Bieter hat wertmäßig mindestens 30% der Teilleistungen (OZ-Postitionen) des Leistungsverzeichnisses im eigenen Betrieb zu erbringen.? Vom Bieter ist bei Einschaltung von Nachunternehmern eine Nachunternehmerliste und darüber hinaus ein sog. Baustoffverzeichnis beizufügen. Nach § 26 Nr. 1 a VOB/A hebt die Vergabestelle das Offene Verfahren auf, weil kein annehmbares Angebot vorliege. Weil die Nachunternehmerliste nicht ausreichend ausgefüllt sei, sei das Angebot der Antragsteller auszuschließen. Es folgte daraufhin ein Nichtoffenes Verfahren nach § 3 a Nr. 3 VOB/A. Das vorangegangene Offene Verfahren sollte als öffentlicher Teilnahmewettbewerb dienen. Es erfolgte keine erneute Bekanntmachung. Es geht in dem folgenden Nachprüfungsverfahren im Kern darum, ob die erste Ausschreibung aufgehoben werden durfte.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts war die Aufhebung der Ausschreibung nicht nur berechtigt, sondern zwingend geboten. Die Vergabe durfte nicht mehr von der Einhaltung irgendeines Eigenleistungsanteils abhängig gemachte werden, nachdem das generelle Verbot der Generalübernehmervergabe oberhalb der Schwellenwerte bereits mit dem ÖPP-Beschleunigungsgesetz durch entsprechende Änderung in den §§ 4, 6 der Vergabeverordnung mit Wirkung zum 01.09.2005 obsolet geworden ist. Wegen Nichterreichens der Quote von 30% hätte kein Angebot ausgeschlossen werden dürfen. Die Ausschreibung war aufzuheben, da die Verdingungsunterlagen grundlegend falsch waren und geändert werden mussten. Gemäß § 26 Abs. 1 b VOB/A greift dieser Aufhebungsgrund zwar nur, wenn die Aufhebungsgründe erst nach Versendung der Verdingungsunterlagen eintreten oder dem Auftrageber bekannt werden, ohne dass seine vorherige Unkenntnis auf mangelhafter Vorbereitung beruht. Der rechtliche Fehler ist hier jedoch von so großem Gewicht, dass das Vergabeverfahren nicht mehr fortgesetzt werden darf. Denn durch das Erfordernis eines bestimmten Eigenleistungsanteils wurden alle die Wettbewerber von einer Teilnahme abgehalten, die mehr als 70% der zu erbringenden Leistung an Nachunternehmer vergeben wollten. Dass die Vergabe nunmehr als Nichtoffenes Verfahren mit den bisherigen Bietern fortgesetzt werden soll genüge jedoch nicht um den Fehler zu korrigieren. Die Neuausschreibung hätte auch nicht ohne nochmalige vorherige Bekanntmachung durchgeführt werden dürfen.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Jochen Zweschper, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht