Gesetzliche Voraussetzungen für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen in der ehemaligen DDR wurden präzisiert

01.01.2012

Gesetzliche Voraussetzungen für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen in der ehemaligen DDR wurden präzisiert

Mit Urteil vom 11.07.2007 (Az.: BVerwG 9 C 5.06) hat das Bundesverwaltungsgericht die gesetzlichen Voraussetzungen präzisiert, unter denen im Gebiet der ehemaligen DDR Erschließungsbeiträge erhoben werden können. Entscheidend sei in Bezug auf Straßen oder deren Teile im Sinne des § 242 Abs. 9 BauGB, dass diese irgendwann vor dem 03.10.1990 endgültig hergestellt gewesen seien. Außerdem konkretisierten die Richter die in der Vorschrift verwendeten Begriffe des "technischen Ausbauprogramms" und der "örtlichen Ausbaugepflogenheiten".

Erschließungsbeiträge können gemäß § 242 Abs. 9 Satz 1 BauGB für Erschließungsanlagen oder deren Teile, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland bereits hergestellt waren nicht erhoben werden. Hier fallen nur Ausbaubeiträge nach dem Kommunalabgabengesetz des jeweiligen Landes an. In der Regel sind diese niedriger. Erschließungsanlagen oder deren Teile sind nach Satz 2 der Vorschrift bereits hergestellt, wenn sie vor dem genannten Zeitpunkt "einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertig gestellt" waren.

Gegen die Erhebung eines Erschließungsbeitrages wandte sich ein in einer Gemeinde in Sachsen-Anhalt wohnender Kläger. In den 1990er Jahren war die in den 1930er Jahren angelegte Straße mit einer festen Straßendecke, einem Gehweg und einer Entwässerungskanalisation versehen worden. Unter anderem wandte der Kläger ein, dass die Straße bereits vor der Wiedervereinigung endgültig hergestellt gewesen sei. Die Klage wurde vom Oberverwaltungsgericht abgewiesen.

Bei den beiden genannten Alternativen des § 242 Abs. 9 Satz 2 BauGB sei maßgeblich, ob die Straße oder deren Teil vor dem 03.10.1990 endgültig hergestellt gewesen sei, so nun das Bundesverwaltungsgericht. Die endgültige Herstellung genau an diesem Stichtag sei hingegen nicht entscheidend. Unter einem "technischen Ausbauprogramm" im Sinne des § 242 Abs. 9 BauGB sei ein Plan zu verstehen, der Vorgaben zur bautechnischen Herstellung der Erschließungsanlage oder ihrer Teile enthalte. Dieser Plan müsse einer nach den jeweils geltenden Rechtsvorschriften zuständigen staatlichen Stelle zuzurechnen sein. Er müsse in irgendeiner Form schriftlich niedergelegt worden sein, wobei seine Existenz aber auch durch Zeugen bewiesen werden könne.

Unter "örtlichen Ausbaugepflogenheiten" sei das im zeitlichen Zusammenhang mit der jeweiligen Ausbaumaßnahme festzustellende tatsächliche Verhalten der Gemeinde bei der bautechnischen Herstellung von Erschließungsanlagen zu verstehen. Nicht ausreichend ist hingegen die bloße Hinnahme von Provisorien. Grundsätzlich sei auf den gesamten Ort, bei größeren Städten gegebenenfalls auf Ortsbezirke abzustellen, wenn sie für den Straßenbau zuständig gewesen seien. Von Bedeutung können dabei Unterschiede in der Funktion der betreffenden Straße, zum Beispiel als Anlieger- oder Hauptverkehrsstraße sein. Die materielle Beweislast liegt bei Nichterweislichkeit der Tatbestandsvoraussetzungen des § 242 Abs. 9 Sätze 1 und 2 Baugesetzbuch grundsätzlich bei der Gemeinde.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Berufungsgerichts im konkreten Fall aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Es gab zum einen Mängel im Verfahren selbst und zum anderen habe das Berufungsurteil nicht den vorstehenden Maßstäben entsprochen.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht