Videoüberwachung aufgrund unzureichender Ermächtigungsgrundlage verfassungswidrig

01.01.2012

Videoüberwachung aufgrund unzureichender Ermächtigungsgrundlage verfassungswidrig

Die Videoüberwachung der ehemaligen mittelalterlichen Synagoge der Stadt Regensburg ist verfassungswidrig. Das entschied das Bundesverfassungsgericht mit dem Beschluss vom 23.02.2007 (Az.: 1 BvR 2368/06). Insbesondere das Bayerische Datenschutzgesetz liefere keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage, da die Überwachung erheblich in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreife. Die entsprechenden Normen machten keine hinreichenden Vorgaben für Anlass und Grenzen der erfassten datenbezogenen Maßnahmen.

Im Jahr 2005 ließ die Stadt Regensburg über den Resten der ehemaligen mittelalterlichen Synagoge auf dem Neupfarrplatz ein Bodenrelief herstellen, das den Grundriss der ehemaligen Synagoge andeutet. Konzipiert ist das Kunstwerk als Begegnungsstätte für die Bevölkerung. Im Bereich des Kunstwerks kam es in der Vergangenheit zu mehreren Vorfällen, aufgrund derer die Stadt Regensburg eine Videoüberwachung des Ortes mit vier Überwachungskameras für erforderlich hielt. Die Überwachung sollte in eigener Zuständigkeit auf der Grundlage des Bayerischen Datenschutzgesetzes durchgeführt werden. Der Beschwerdeführer erhob gegen die geplante Videoüberwachung Klage. Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen.
Hiergegen gerichtete Rechtsmittel blieben vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ohne Erfolg. Zur Aufhebung der Entscheidungen der Fachgerichte führte erste die vom Beschwerdeführer daraufhin erhobene Verfassungsbeschwerde.

Für die geplante Videoüberwachung des Bodenkunstwerkes mit Aufzeichnung des gewonnen Bildmaterials fehlt es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts an einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung. Die geplante Videoüberwachung stelle einen Eingriff von erheblichem Gewicht in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung dar. Das durch die Videoüberwachung gewonnene Bildmaterial könne und solle dazu genutzt werden, belastende hoheitliche Maßnahmen gegen Personen vorzubereiten, die in dem von der Überwachung erfassten Bereich bestimmte unerwünschte Verhaltensweisen zeigten. Durch die offene Videoüberwachung des Ortes könne und solle sowohl eine abschreckende Wirkung erreicht werden als auch die Möglichkeit das Verhalten der Betroffenen zu lenken. Nach Ansicht der Verfassungsrichter wird das Gewicht dieser Maßnahme dadurch erhöht, dass infolge der Aufzeichnung das gewonnene Bildmaterial in vielfältiger Weise ausgewertet, bearbeitet und mit anderen Informationen verknüpft werden kann.

Nur einen Minderheit von den Personen, die die Begegnungsstätte betreten, würden gegen die Benutzungssatzung oder andere rechtliche Vorgaben, die sich aus der allgemeinen Rechtsordnung für die Benutzung der Begegnungsstätte ergeben, verstoßen, so die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts. Überwiegend würden also durch die Videoüberwachung und die Aufzeichnung des gewonnen Bildmaterials Personen erfasst, die selbst keinen Anlass schafften, die Überwachung vorzunehmen. Die geplante Videoüberwachung könne angesichts des erheblichen Gewichts der Grundrechtsbeeinträchtigung nicht auf Art. 16 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 1 Bayerisches Datenschutzgesetz gestützt werden. Um als Ermächtigungsgrundlage für den beabsichtigten Grundrechtseingriff in Betracht zu kommen, enthielten diese Normen keine hinreichenden Vorgaben für Anlass und Grenzen der erfassten datenbezogenen Maßnahmen. Lediglich durch das Gebot der Erforderlichkeit würde die Datenerhebung begrenzt. Dies allein könne die behördliche Praxis aber nicht hinreichend anleiten oder Kontrollmaßstäbe bereitstellen.

Eine Videoüberwachung öffentlicher Einrichtungen mit Aufzeichnung des gewonnen Bildmaterials könne generell verfassungsgemäß sein, so das Gericht abschließend. In formeller Hinsicht bedürfe es jedoch stets einer hinreichend bestimmten und normenklaren Ermächtigungsgrundlage. Wenn für eine solche Überwachung ein hinreichender Anlass besteht und die Überwachung sowie die Aufzeichnung, insbesondere in räumlicher und zeitlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Möglichkeit der Auswertung der Daten das Übermaßverbot wahrten, sei sie auch materiell verfassungsgemäß.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht