Kein Rechtsanspruch auf Platz in einer ortsansässigen Gesamtschule

01.01.2012

Kein Rechtsanspruch auf Platz in einer ortsansässigen Gesamtschule

Das Verwaltungsgericht (VG) Münster hat mit Urteil vom 18.07.2006 (1 K 840/06) entschieden, dass die Johann-Conrad-Schlaun Gesamtschule in Nordkirchen nicht verpflichtet ist, eine Schülerin aus dem Nordkirchener Ortsteil Capelle aufzunehmen. Das Gericht bestätigte damit zugleich die Auswahlpraxis der Schule, die sich in erster Linie am Grundsatz der Leistungsheterogenität orientiert.

232 Grundschüler hatten sich auf die 120 Plätze der Gesamtschule beworben. Der Schulleiter gewährte zunächst 60 Schülern einen Platz, die er der ersten von ihm gebildeten Leistungsgruppe zuordnete (Empfehlung «Gesamtschule / Gymnasium» oder «Gesamtschule / Realschule» und Notendurchschnitt von mindestens 2,1). In der zweiten Leistungsgruppe (Empfehlung «Gesamtschule / Realschule» oder «Gesamtschule / Hauptschule») kamen weitere 60 Schüler zum Zug. Für die Verteilung griff der Schulleiter hier auf zusätzliche Auswahlkriterien zurück: In fünf Fällen nahm er einen Härtefall an, 39 Schüler erhielten aufgrund der Wohnortnähe einen Platz, die restlichen 16 Plätze wurden per Losverfahren verteilt. Die Schülerin aus Capelle gehörte der zweiten Leistungsgruppe an, erhielt aufgrund ihres Wohnsitzes keinen Platz nach dem Schulwegprinzip und hatte auch im Losverfahren kein Glück. Ihre Klage gegen den Ablehnungsbescheid stützten ihre Eltern darauf, dass ihre Tochter - auch als Geschwisterkind - ein Recht auf den Besuch der ortsansässigen Gesamtschule habe. Die Schule hätte zudem berücksichtigen müssen, dass ihre Tochter sich nicht an einer anderen Gesamtschule angemeldet habe und dies auch nicht hätte tun können.

Die Einzelrichterin der Ersten Kammer des VG wies die Klage dennoch ab. Dies begründete sie damit, dass die Aufnahmekapazität der Schule mit jeweils 30 Schülern in vier Eingangsklassen erschöpft und das Auswahlverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Die Kriterien, die der Schulleiter seiner Aufnahmeentscheidung zugrunde gelegt habe, begegneten keinen rechtlichen Bedenken. Mit der gewählten Bildung von zwei Leistungsgruppen und einem Notendurchschnitt von 2,1 als Grenzwert habe er dem Grundsatz der Leistungsheterogenität Genüge getan. Auch die Aufnahme von fünf Schülern aus Härtefallgesichtspunkten sei nicht zu beanstanden. Die Anwendung des Kriteriums «Geschwisterkind» sei zwar zulässig, der Schulleiter sei hierzu aber nicht verpflichtet.

Auch hätten in der zweiten Leistungsgruppe bevorzugt Schüler einen Platz erhalten dürfen, die innerhalb eines Umkreises von 3,5 Kilometer wohnten. Die Anwendung dieses Kriteriums in der zweiten Leistungsgruppe führe nicht zur unzulässigen Bildung eines Schuleinzugsbereiches und außerhalb wohnende Schüler hätten hier noch im Rahmen des Losverfahrens Berücksichtigung finden können. Ferner sei der Schulleiter nicht verpflichtet gewesen, diejenigen Schüler bevorzugt aufzunehmen, die sich an keiner anderen Gesamtschule angemeldet oder von keiner anderen Gesamtschule eine Aufnahmezusage erhalten hätten.

Die ablehnende Entscheidung gegenüber den Eltern der Schülerin aus Capelle verletze auch nicht das verfassungsrechtlich gesicherte Recht auf freie Wahl der Schulform. Es sei nicht ersichtlich, dass ihrer Tochter der Besuch der nächsten Gesamtschule in Olfen nicht zumutbar und möglich sei. Zur Äußerung des Schulleiters der Johann-Conrad-Schlaun-Gesamtschule, Schüler aus Nordkirchen würden dort mit Blick auf die in Nordkirchen vorhandene Gesamtschule nicht aufgenommen, führte das Gericht aus: Nach dem Schulgesetz dürfe Schülern aus Nordkirchen die Aufnahme in eine andere Gesamtschule nicht wegen des fehlenden Wohnsitzes der Eltern in der fraglichen Gemeinde verweigert werden, wenn die Kapazitäten der Johann-Conrad-Schlaun-Gesamtschule erschöpft seien. Umgekehrt dürften Schüler aus Nordkirchen gegenüber Schülern aus den Nachbargemeinden, die ausnahmslos über keine Gesamtschule verfügten, bei der Aufnahme nicht aufgrund ihres Wohnsitzes bevorzugt werden.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht