Anspruch auf Erstattung von Kosten eines vorprozessual beauftragten Sachverständigen?

01.01.2012

Anspruch auf Erstattung von Kosten eines vorprozessual beauftragten Sachverständigen?

Mit der Frage, wann die Kosten eines vorprozessual beauftragten Sachverständigen zu erstatten sind, hat sich erneut (im Nachgang zu BGHZ 153, 235) der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigt (Beschluss vom 23.05.2006 - VI ZB 7/05).

Der Kläger (K) nahm die Beklagte (B) mit Schreiben vom 15.07.2002 als Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten Kfz auf Schadensersatz wegen ausstehender Reparaturkosten in Höhe von knapp 7.000 Euro in Anspruch. Die B hatte Zweifel an der Schilderung des Unfallverlaufs und der Höhe des geltend gemachten Schadens. Mit der Klärung dieser streitigen Fragen beauftragte die B daher den Sachverständigen S. Am 02.09.2002 setzte der K der B eine Frist zur Zahlung bis zum 10.09.2002. Für den Fall der Nichtzahlung innerhalb der Frist kündigte er die Erhebung einer Klage an. Am 20.09.2002 erstellte der Sachverständige S das beauftragte Gutachten. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass wegen zu berücksichtigender Vorschäden und eines Abzuges "Neu für Alt" nur knapp die Hälfte des geforderten Betrages an den K zu ersetzen sei. Die B verweigerte daraufhin jeglichen Schadensausgleich. Am 26.03.2003 erhob der K daraufhin Klage gegen die B sowie die H als Halterin des PKW. Da die Beklagten der Klage vollumfänglich entgegen traten, beschloss das Landgericht die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens. Die B stellte das Privatgutachten des Sachverständigen S sowohl dem gerichtlichen Sachverständigen als auch Gericht und Kläger zur Verfügung. Aufgrund der Begutachtung durch den gerichtlichen Sachverständigen wies das Landgericht die Klage mit Urteil vom 02.04.2004 ab. Im Rahmen einer Rechtsbeschwerde hat der BGH nunmehr zu entscheiden, ob der K die knapp 3.000 Euro für den Sachverständigen S der B zu ersetzen hat. Nach Auffassung des BGH hat der K diese Kosten zu erstatten. Grundsätzlich sehe § 91 Abs. 1 ZPO zwar nur eine Erstattungspflicht für die dem Gegner erwachsenen "Kosten des Rechtsstreites" vor. Die Tätigkeit eines Privatgutachters sei daher nur dann erstattungsfähig, wenn diese in unmittelbarer Beziehung zum Rechtsstreit stehe. Entgegen der Auffassung des OLG stehe einer solchen Unmittelbarkeit jedoch nicht entgegen, dass der Sachverständige bereits dann von der B beauftragt wurde, als noch keine Klagedrohung des K ausgesprochen worden war. Das Privatgutachten sei nämlich erst am 20.09.2002 und somit nach Klageandrohung am 02.09.2002 erstellt worden. Es mache keinen Unterschied, ob der Sachverständige das Gutachten aufgrund eines ihm nach Klageandrohung erteilten Auftrages erstelle oder aufgrund eines zum Zeitpunkt der Klageandrohung fortbestehenden Auftrages. Spätestens mit der Klageandrohung werde die für die Vorbereitung der Rechtsverteidigung im anstehenden Prozess maßgebende Erstellung des Sachverständigengutachtens zu einer unmittelbar prozessbezogenen Tätigkeit.

Die Entscheidung hat insbesondere auch Bedeutung für Baustreitigkeiten, in denen die vorgerichtliche Beauftragung eines Privatsachverständigen nicht unüblich ist. In solchen Streitigkeiten ist stets vor der Beauftragung des Privatgutachters zu prüfen, ob eine Kostenerstattung im späteren Gerichtsverfahren möglich ist. Der Auftraggeber unterliegt diesbezüglich einem erheblichen Kostenrisiko, denn das Erfordernis der Prozessbezogenheit kann nicht vorschnell angenommen werden.