Bayern zur Aufstellung eines Aktionsplans gegen Feinstaub verurteilt

01.01.2012

Bayern zur Aufstellung eines Aktionsplans gegen Feinstaub verurteilt

Urteil vom 18.05.2006: 22 BV 05. 2461 und 05.2462

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat mit Urteil vom 18. Mai 2006 (Az. 22 BV 05.2462) der Klage eines Anwohners der Landshuter Allee auf Aufstellung eines Aktionsplans wegen Feinstaubbelastung gegen den Freistaat Bayern - teilweise - stattgegeben und insoweit das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 26. Juli 2005 im Berufungsverfahren abgeändert. Hingegen blieb die Berufung gegen das klageabweisende Urteil in dem Verfahren gegen die Landeshauptstadt München ohne Erfolg (Az. 22 BV 05.2461).

Der BayVGH verpflichtete den Freistaat Bayern zur Aufstellung eines Aktionsplans für den Bereich der Landshuter Allee unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Im vorangegangenen Eilverfahren hatte das Gericht mit Beschluss vom 30. Juni 2005 (Az. 22 CE 05.1194) den Eilantrag des Klägers auf Aufstellung eines Aktionsplans innerhalb einer Frist von 2 Wochen noch abgelehnt. In der Entscheidung hatte das Gericht bereits ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dem Kläger grundsätzlich der begehrte Anspruch zustehen könne, er jedoch im Hinblick auf die Komplexität der zu ergreifenden Maßnahmen und angesichts der in Vorbereitung begriffenen Pläne keine Sofortmaßnahmen verlangen könne.

Im jetzt entschiedenen Klageverfahren kommt der BayVGH zu dem Ergebnis, dass es im Hinblick auf die verstrichene Reaktionszeit von nunmehr 16 Monaten seit Inkrafttreten des Immissionsgrenzwertes als nicht (mehr) rechtmäßig anzusehen ist, wenn die zuständige Behörde trotz von Anfang an evidenter Überschreitungsgefahr noch immer keinen Aktionsplan vorlegen kann. Dies sei unverzüglich nachzuholen.

Die vom Freistaat Bayern lediglich in Aussicht gestellten Maßnahmen genügten diesen Anforderungen jedenfalls nicht. Der aufzustellende Aktionsplan brauche aber aufgrund der konkreten Gegebenheiten und entgegen dem gesetzlichen Regelfall nicht zu gewährleisten, dass unter allen Umständen die Einhaltung der Grenzwerte, auch nicht vom Jahr 2008 an, gewährleistet werde. Es könne nicht verlangt werden, was "tatsächlich unmöglich und deshalb auch rechtlich nicht geboten sei". Insofern sei zu berücksichtigen, dass der Aktionsplan die großräumige Luftverschmutzung und deren Anteil an der Überschreitung der Grenzwerte nur teilweise beeinflussen könne, insbesondere dem Freistaat Bayern die Normsetzungskompetenz für weitere in Betracht zu ziehende Maßnahmen fehle. Bei der Wahl der zu ergreifenden Mittel sei zudem den Rechten der von den Maßnahmen belastend Betroffenen unter dem Gesichtspunkt des Gebotes der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen. Die vom Freistaat Bayern vorbereiteten Maßnahmen, wie etwa die Umleitung des LKW-Durchgangsverkehrs auf die A 99 und die geplante Einrichtung einer Umweltzone in der Innenstadt von München, erschienen dem BayVGH grundsätzlich geeignet, effektiv und verhältnismäßig. Auf die Aufstellung des Aktionsplans habe der Kläger als betroffener Anwohner einen Anspruch, da Zweck der Immissionsgrenzwerte der Schutz der Gesundheit sei und die Aufstellung eines Aktionsplans vom Gesetzgeber als vorrangiges Instrument zur Einhaltung der Grenzwerte angesehen werde. Der Kläger brauche sich daher nicht auf Einzelmaßnahmen, losgelöst vom Aktionsplan, verweisen lassen. Die Revision gegen das Urteil zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Der BayVGH vermochte hingegen keinen Anspruch des Klägers gegen die Landeshauptstadt München auf aktionsplanunabhängige verkehrliche oder sonstige Maßnahmen zur Einhaltung der Feinstaubimmissionswerte zu erkennen. Zwar sei ein Anspruch auf die Ergreifung anderer auf die Einhaltung der Grenzwerte gerichteter Maßnahmen neben dem Luftreinhalteplan bzw. dem Aktionsplan grundsätzlich rechtlich nicht ausgeschlossen. Doch schieden solche Maßnahmen, wenn sie sich aufgrund der komplexen Verhältnisse als kaum zielführend und erfolgversprechend erwiesen, von vornherein als ermessensfehlerhaft aus. Die insofern von der Landeshauptstadt München im gegenüber dem Kläger ergangenen Ablehnungsbescheid getroffenen Ermessenserwägungen seien verwaltungsgerichtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere würden lokale Verkehrsbeschränkungen nur zur Verkehrsverlagerung auf weniger geeignete Straßen führen. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h wäre wegen der daraus folgenden energieverbrauchenden und umweltbelastenden Zähflüssigkeit des Verkehrs dem Ziel der Luftreinhaltung ebenfalls abträglich. Für andere als straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen fehle es bereits an einer entsprechenden Anspruchsgrundlage für den Kläger. Unabhängig davon hätten sich diese Maßnahmen (Nassreinigung, Einsatz von Staubbindern) teilweise als kaum wirksam erwiesen, so dass deren Ablehnung durch die Landeshauptstadt München ebenfalls ermessenfehlerfrei erfolgt sei. Soweit diese Maßnahmen zielführend erschienen (z.B. Verschärfung der städtischen Brennstoffverordnung), sei die Landeshauptstadt München bereits tätig geworden.

Die Revision gegen dieses Urteil wurde nicht zugelassen; der Kläger kann dagegen Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erheben. Eine umfassende Darstellung der Feinstaubproblematik unter besonderer Berücksichtigung der kommunalen Sichtweise gibt der Aufsatz von Dr. Alfred Stapelfeldt, Partner der Kanzlei Rechtsanwälte SZK: "Feinstaub- Herausforderungen und Probleme für die Kommunen", in KommJur 5/2006, 161 ff. Die hier besprochene Entscheidung des BayVGH folgt der dort bereits vertretenen Auffassung, dass grundsätzlich ein Anspruch auf Planaufstellung besteht.