Architektenhaftung für fehlerhafte Statik

01.01.2012

Architektenhaftung für fehlerhafte Statik

In seinem Urteil vom 11.04.2006 (3 U 78/03) setzt sich das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig mit der Frage auseinander, ob und inwieweit der mit der Leistungsphase 8 beauftragte Architekt für Fehler des Statiker haftet. Es kommt zu dem Ergebnis, dass der beauftragte Architekt im Rahmen seiner Objektüberwachungspflicht Widersprüche zwischen Statik und Bewehrungsplänen erkennen und diese durch Nachfrage beim Statiker aufklären muss.

Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein Bauherr beauftragte einen Architekten mit allen erforderlichen Grundleistungen des Leistungsbildes Objektplanung (Leistungsphasen 1 - 9 des § 15 Abs. 1 HOAI) für den Neubau eines Schwimmbades in einem Einfamilienhaus. Mit der Tragwerksplanung wurde hingegen ein anderes Ingenieurbüro beauftragt. Neben zahlreichen anderen Baumängeln wies das Schwimmbad später Risse auf, die zur Undichtigkeit führten. Grund dieser Mängel war der Umstand, dass der Statiker in Abweichung von seiner Hauptstatik in den Bewehrungsplänen eine Bewehrung mit einem Durchmesser von 10 mm statt 12 mm vorgesehen hatte. Die verminderte Bewehrung führte zu einer erhöhten Rissgefährdung und Rissbildung.

Der Auftraggeber verklagte daraufhin den Architekten. Dieser wandte gegen seine Inanspruchnahme ein, dass er Bedeutung und Tragweite des geringeren Durchmessers nicht habe erkennen können. Ein vom Gericht eingeholtes Sachverständigengutachten bestätigte den Architekten in seiner Auffassung. Der Architekt verteidigt sich darüber hinaus damit, dass das Mitverschulden des Statikers, der vom Bauherrn beauftragt war, ihn entlaste, weil der Statiker Erfüllungsgehilfe des Bauherrn sei.

Das OLG sah die Sache jetzt anders. Zwar seien vom Architekten die zur Überprüfung einer statischen Berechnung erforderlichen Spezialkenntnisse nicht zu erwarten. Auch habe der Architekt grundsätzlich den Statiker nicht dahin zu beaufsichtigen, ob er die ihm gestellte Aufgabe richtig gelöst habe. Darum gehe es im vorliegenden Fall aber nicht. Der Architekt sei nämlich in jedem Fall verpflichtet, die statischen Berechnungen einzusehen und sich zu vergewissern, ob der Statiker von den gegebenen tatsächlichen Verhältnissen ausgegangen ist. Der bauleitende Architekt, dem - wie hier - auch die Objektüberwachung nach § 15 Abs. 1 Nr. 8 HOAI übertragen worden sei, habe die Übereinstimmung der Ausführung des Objektes mit der Baugenehmigung, den Ausführungsplänen usw. zu überprüfen. Er habe daher die zur Verfügung gestellten Planungs- und Ausschreibungsunterlagen auf Widersprüche zu überprüfen; also zu kontrollieren. Das betreffe auch statische Unterlagen, insbesondere die Überwachung und Abnahme der Bewehrung entsprechend den Bewehrungsplänen des Statikers.

Von einem Architekten könne erwartet werden, dass er jedenfalls den vom Statiker gewählten Stabdurchmesser und Abstand der einzelnen Stäbe in einer statischen Berechnung finden und mit den Angaben in den zugehörigen Bewehrungsplänen vergleichen könne. Der Architekt habe angesichts der Widersprüchlichkeit der ihm zur Verfügung gestellten statischen Unterlagen klären müssen, von welchem Stabdurchmesser ausgegangen werden sollte. Eine Entlastung des Architekten wegen des Mitverschuldens des Statikers sah das OLG hingegen nicht. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH hafte der Architekt neben dem Statiker als Gesamtschuldner, da der vom Bauherrn beauftragte Statiker regelmäßig nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn in dessen Vertragsverhältnis mit dem Architekten ist.