In-house-Vergabe bei Dienstleistungskonzessionen

01.01.2012

In-house-Vergabe bei Dienstleistungskonzessionen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in einem Urteil vom 06.04.2006 (C-410/04) mit der Vergabe öffentlicher Dienstleistungskonzessionen und der Anwendung der In-house- Grundsätze auf die Vergabe von Konzessionen befasst. Im zugrunde liegenden Fall hatte eine Gemeinde den Betrieb eines öffentlichen Verkehrsdienstes im Gemeindegebiet freihändig an eine Aktiengesellschaft vergeben. Die Gemeinde ist Alleingesellschafterin des Betriebes. Ein derartiges Vergabegeschäft ist dem obigen EuGH-Urteil zufolge mit Art. 86 Abs. 1 EG vereinbar, wenn 1) die öffentliche Stelle über die konzessionsnehmende Einrichtung eine Kontrolle wie über ihre eigenen Dienststellen ausübt und 2) diese Einrichtung ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die öffentliche Stelle verrichtet.

Die ausschreibungsfreie Beauftragung wurde auf Art. 113 Abs. 5 des Decreto Legislativo gestützt, der es öffentlichen Auftraggebern erlaubt, Aufträge auch außerhalb eines öffentlichen Ausschreibungsverfahrens an Gesellschaften zu vergeben, sofern die öffentlichen Körperschaften über die Gesellschaft eine Kontrolle ausüben wie über eigene Dienststellen und die Gesellschaft ihre Tätigkeit im Wesentlichen mit der öffentlichen Körperschaft oder den öffentlichen Körperschaften verrichtet, die sie kontrollieren. In Frage stand die Vereinbarkeit dieser nationalen Vorschrift insbesondere mit den Art. 43, 49 und 86 des EG-Vertrages.

Der EuGH stellt zunächst fest, dass der öffentliche Verkehrsdienst im Gebiet der Gemeinde Bari zumindest teilweise über den Kauf von Fahrkarten durch die Benutzer refinanziert werde. Diese Art der Vergütung sei charakteristisch für eine öffentliche Dienstleistungskonzession. Unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung (insbesondere "Parking Brixen") wiederholte der EuGH seine Auffassung, dass Verträge über öffentliche Dienstleistungskonzessionen zwar vom Anwendungsbereich der Richtlinie 92/50 ausgenommen seien, und dass die Richtlinie 2004/18/EG in Artikel 17 ihre Unanwendbarkeit auf Dienstleistungskonzessionen sogar ausdrücklich vorsehe. Dennoch seien auch bei der Vergabe einer Dienstleistungskonzession die Grundregeln des EGVertrages im Allgemeinen und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Besonderen zu beachten. Das schließe eine Verpflichtung zur Transparenz ein. Grundsätzlich entspreche daher das völlige Fehlen einer Ausschreibung im Fall der Vergabe einer öffentlichen Dienstleistungskonzession weder den Anforderungen von Artikel 43 und 49 EGV noch den Grundsätzen der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz.

Wie bereits im Urteil "Parking Brixen" hat der EuGH dann aber festgestellt, dass die Anwendung der aus dem EGV folgenden allgemeinen Grundsätze ausgeschlossen ist, wenn die konzessionserteilende öffentliche Stelle über die konzessionsnehmende Einrichtung eine Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und wenn diese Einrichtung zugleich ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Stelle verrichtet, die ihre Anteile inne hat. Der EuGH bestätigt damit im Ergebnis seine Rechtsprechung, wonach die Grundsätze des In-house- Geschäfts ("Teckal-Rechtsprechung") auf die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen übertragen werden kann. Nationale Rechtsvorschriften, die diese Voraussetzungen wörtlich übernähmen, so der EuGH, entsprächen grundsätzlich dem Gemeinschaftsrecht, wobei klarzustellen sei, dass auch die Auslegung dieser Rechtsvorschriften den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts entsprechen muss. Artikel 113 Abs. 5 des Decreto Legislativo sei deshalb mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Eine öffentliche Ausschreibung sei nach diesen Grundsätzen allerdings dann nicht entbehrlich, wenn das Kapital der konzessionsnehmende Gesellschaft während der Laufzeit des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrages privaten Aktionären geöffnet werde. In diesem Fall würde die Vergabe einer öffentlichen Dienstleistungskonzession ohne Ausschreibung einem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen erteilt, was die Ziele des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigen würde.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht