Keine Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen bei starrer Fristenregelung

01.01.2012

Keine Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen bei starrer Fristenregelung

Mit Urteil vom 05.04.2006 (VIII ZR 178/05) hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) erneut mit der Vornahme von Schönheitsreparaturen nach einem vertraglich festgelegten Fristenplan befasst. Er entschied, dass ein formularmäßiger Fristenplan für die vom Mieter vorzunehmenden Schönheitsreparaturen auch dann starr ist und einen Mieter unangemessen i. S. d. § 307 BGB benachteiligt, wenn die Fristen allein durch die Angabe eines nach Jahren bemessenen Zeitraumes ohne jeden Zusatz bezeichnet sind. Eine Klausel über die quotenmäßige Abgeltung angefangener Renovierungsintervalle verliere ihre Grundlage, wenn die vertragliche Regelung über die Abwälzung der Schönheitsreparaturenverpflichtung auf den Mieter unwirksam sei.

Im vom BGH entschiedenen Fall stritten die Parteien um die Erstattung von Renovierungskosten nach Beendigung eines Mietverhältnisses. Mit Vertrag vom 29. Juni 1999 hatte der Beklagte von der Klägerin eine Wohnung ab dem 16. Juli 1999 gemietet. Das Mietverhältnis endete aufgrund der Kündigung des Beklagten am 29. Februar 2004. Zu den Schönheitsreparaturen enthält der Mietvertrag in § 6 unter anderem folgende formularmäßige Regelungen: "(1) Der Mieter hat während der Mietzeit die Schönheitsreparaturen auf seine Kosten sachund fachgerecht auszuführen, und zwar: in Küche, Bad, WC alle 3 Jahre, in den übrigen Räumen alle 5 Jahre. Die Renovierungsfristen beginnen in jedem Fall mit Beginn des Mietverhältnisses zu laufen. Zu einer Anfangsrenovierung ist der Mieter nicht verpflichtet. ... (2) Nach Beendigung des Mietverhältnisses hat der Mieter vor Rückgabe der Wohnung unter Berücksichtigung des vereinbarten Fristenplanes alle bis dahin je nach (dem) Grad der Abnutzung oder Beschädigung erforderlichen Schönheitsreparaturen auszuführen. ... (3) Weist der Mieter nach, dass die letzten Schönheitsreparaturen innerhalb der o. g. Fristen ... durchgeführt worden sind, und befindet sich die Wohnung in einem einer normalen Abnutzung entsprechenden Zustand, so muss er anteilig den Betrag an den Vermieter zahlen, der aufzuwenden wäre, wenn die Wohnung im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung renoviert würde; dasselbe gilt, wenn und soweit bei Vertragsbeendigung die obigen Fristen seit Beginn des Mietverhältnisses noch nicht vollendet sind. ... Der Mieter kann die Zahlungsverpflichtung dadurch abwenden, dass er die Schönheitsreparaturen fachgerecht selbst durchführt."

Der Beklagte hatte während des Mietverhältnisses keine Schönheitsreparaturen durchgeführt. Die Klägerin holte deshalb einen Kostenvoranschlag eines Malerbetriebes ein. Auf der Grundlage des Kostenvoranschlages forderte sie den Beklagten vorprozessual zur Bezahlung der vollständigen Kosten für einen Deckenanstrich im Bad und in der Küche in Höhe von 91,20 EUR sowie der (zeit-)anteiligen Kosten (55,5/60) für die Renovierung der übrigen Räume von 763,06 EUR auf. Mit ihrer Klage hat sie neben den Renovierungskosten von insgesamt 854,26 EUR rückständige Mieten, eine Betriebskostennachforderung für 2002 und Schadensersatzansprüche geltend gemacht; nach Verrechnung mit dem Kautionsrückzahlungsanspruch des Beklagten und einem geringfügigen Betriebskostenguthaben hat sie 1.135,87 EUR nebst Zinsen verlangt. Das Amtsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben; hinsichtlich der Renovierungskosten hat es sie abgewiesen. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision zum BGH verfolgte die Klägerin ihre Forderung auf Bezahlung der Renovierungskosten weiter. Der BGH entschied nun, dass das Landgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung die im Berufungsverfahren von der Klägerin noch geltend gemachten Ansprüche verneint habe. Der Klägerin stehe weder nach § 6 Nr. 3 des Mietvertrages ein Anspruch auf (zeit-)anteilige Abgeltung der Renovierungskosten für Wohnzimmer, Elternzimmer und Flur (55,5/60 Monate) noch gemäß § 6 Nr. 1 und 2 des Mietvertrages ein Schadensersatzanspruch für die Kosten des Deckenanstrichs in Bad und Küche zu. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des 8. Senats des BGH habe das Berufungsgericht angenommen, dass die formularmäßige Schönheitsreparaturenklausel in § 6 Nr. 1 Satz 1 des Mietvertrages einen starren Fristenplan enthält und deshalb wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters nach § 9 Abs. 1 AGBG (jetzt § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) unwirksam sei. Aus der Sicht eines verständigen Mieters mache es keinen Unterschied, ob der Fristenplan - wie hier - eine bestimmte Frist ohne jeden Zusatz enthält oder ob die Verbindlichkeit der genannten Frist durch Worte wie "mindestens" beziehungsweise "spätestens" verstärkt wird. In seinen einschlägigen Entscheidungen habe der 8. Senat stets darauf abgestellt, ob ein angegebener Zeitraum durch Formulierungen wie "in der Regel", "im Allgemeinen" oder ähnliche Wendungen - für den Mieter erkennbar - so flexibel vereinbart war, dass nach dem Wortlaut der Klausel im Einzelfall eine Anpassung der Renovierungsintervalle an den tatsächlichen Renovierungsbedarf möglich war. Fehle ein derartiger Zusatz, so sei nach dem eindeutigen Wortlaut der Fristenklausel ein Abweichen zugunsten des Mieters nicht vorgesehen; sie sei dann aus der Sicht des Mieters nicht weniger "starr" als bei sprachlichen Hinzufügungen, die eine Verlängerung der Frist nicht zulassen.

Etwas anderes ergebe sich im vorliegenden Fall auch nicht aus der Regelung in § 6 Nr. 2 des Mietvertrages, der die Renovierungspflicht des Mieters nach Beendigung des Mietverhältnisses betreffe. Durch die Formulierung "unter Berücksichtigung des vereinbarten Fristenplanes" werde eine Verbindung zu den in § 6 Nr. 1 vereinbarten verbindlichen Fristen hergestellt, so dass die Bestimmung des § 6 Nr. 2 von der Unwirksamkeit des § 6 Nr. 1 des Vertrages ergriffen werde. Dass durch die Wendung "je nach dem Grad der Abnutzung oder Beschädigung" die in § 6 Nr. 1 angeführten Fristen bei Beendigung des Mietverhältnisses relativiert werden sollen, sei, wie das Berufungsgericht zu Recht bemerkt hat, nicht zu erkennen.

Die Auffassung der Klägerin, die Abgeltungsklausel in § 6 Nr. 3 des Mietvertrages - die für die Kosten der Renovierung des Wohnzimmers, des Elternzimmers und des Flurs heranzuziehen ist, sei unabhängig von der Renovierungsklausel in § 6 Nr. 1 sei, trifft nach Ansicht des BGH nicht zu. In welchem Verhältnis die beiden Regelungen in § 6 Nr. 1 und 3 des vorformulierten Mietvertrages stünden, sei durch Auslegung zu ermitteln. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung unterliege der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung, weil Mietvertragsklauseln, die der hier zu beurteilenden Regelung entsprechen, auch über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus verwendet würden. Allgemeine Geschäftsbedingungen seien nach ihrem objektivem Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden würden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sei. Dazu gehöre unter anderem, dass auch der durchschnittliche Mieter in der Lage sei, vertragliche Klauseln im Zusammenhang zu lesen und daraus ihren Sinn zu ermitteln.

Der enge Zusammenhang der hier zu prüfenden Klauseln ergebe sich schon aus der Systematik der Regelung; beide seien Teil des mit "Erhaltung der Mietsache" überschriebenen § 6 des Mietvertrages. Die maßgebenden Begriffe seien weitgehend identisch ("Schönheitsreparaturen", "Fristen", "Renovierung"). Die - als solche grundsätzlich unbedenkliche (Senatsurteil BGHZ 105, 71) - Abgeltungsklausel in Nr. 3 verweise an zwei Stellen auf die "o. g. Fristen" beziehungsweise "obigen Fristen" in Nr. 1. Für den verständigen Leser des angesprochenen Personenkreises könne unter diesen Umständen kein Zweifel bestehen, dass die einzelnen Bestimmungen des § 6 eine einheitliche, zusammengehörige Gesamtregelung der Renovierungsverpflichtungen des Mieters darstellen. Dabei bilde die Klausel der Nr. 1 mit der Überbürdung der Erhaltungspflicht auf den Mieter eindeutig erkennbar die Grundlage für die nachfolgenden Regelungen in den Nrn. 2 und 3. Falle diese Grundlage weg, so verlören die daran anschließenden Bestimmungen ihre Rechtfertigung und ihren Sinn. Sei der Mieter nicht zur Vornahme der Schönheitsreparaturen verpflichtet, treffe ihn auch keine Verpflichtung zur anteiligen Abgeltung der Kosten bei Beendigung des Mietverhältnisses nach § 6 Nr. 3 des Mietvertrags. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage einer Teilbarkeit der Schönheitsreparaturklauseln stelle sich daher nicht.