Auch bei einem geringfügigen Mangel kann ein Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages bestehen (hier: Erwerb einer Eigentumswohnung)

01.01.2012

Auch bei einem geringfügigen Mangel kann ein Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages bestehen (hier: Erwerb einer Eigentumswohnung)

Nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung war ein Anspruch des Käufers auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags grundsätzlich ausgeschlossen, wenn den Verkäufer eine nur unerhebliche Pflichtverletzung traf. Mit Urteil vom 24.03.2006 (V ZR 173/05) hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun zu Gunsten eines Käufers entschieden, dass von einem Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung auch bei einem unerheblichen Mangel ausnahmsweise zurückgetreten werden kann, wenn der Verkäufer über das Vorhandensein dieses Mangels bei Vertragsschluss arglistig getäuscht hat.

Die Kläger kauften von den Beklagten eine - gebrauchte - Eigentumswohnung unter Ausschluss der Gewährleistung für Sachmängel. Der Kaufpreis betrug rund 84.000 Euro. Nach der Wohnungsübergabe stellten die Kläger einen Feuchtigkeitsschaden fest, dessen Beseitigung rund 2.500 Euro kostete. Nachdem die Beklagten eine Nachbesserung abgelehnt hatten, erklärten die Kläger den Rücktritt vom Vertrag. Sie machen geltend, der Haftungsausschluss sei unwirksam, weil den Beklagten der Schaden bei Vertragsschluss bekannt gewesen sei. Die auf Rückabwicklung des Vertrags gerichtete Klage wurde abgewiesen. Auch die Berufung blieb ohne Erfolg. Vor dem BGH erhielten die Kläger nun aber recht.

Das Berufungsgericht hatte angenommen, die Rückabwicklung des Kaufvertrags scheitere daran, dass der Feuchtigkeitsschaden als unerheblicher Mangel im Sinn des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB zu qualifizieren sei. Die vorzunehmende Interessenabwägung müsse zu Gunsten der Verkäufer/Beklagten ausfallen, weil der vergleichsweise geringe Mangelbeseitigungsaufwand von 2.500 Euro nicht die Nachteile aufwiege, die sie bei einer Rückabwicklung des Kaufvertrags erleiden würden. Denn in diesem Fall hätten die Beklagten nicht nur den Kaufpreis von 84.000 Euro zu erstatten, sondern auch die Vertragskosten und die mit einer vorzeitigen Darlehensablösung einhergehenden Vorfälligkeitszinsen. Diese Rechtsauffassung teilte der BGH nicht und entschied, das Berufungsgericht habe die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zu Unrecht verneint. Zwar bildeten die Feuchtigkeitsschäden einen Mangel der Kaufsache. Auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts treffe zu, dass sich die Beklagten nach § 444 BGB auf den vereinbarten Haftungssausschluss nicht berufen könnten, weil ihnen dieser Mangel bekannt gewesen sei. Rechtsfehlerhaft sei aber die Annahme des Gerichts, es liege eine den Rücktritt ausschließende lediglich unerhebliche Pflichtverletzung vor. Denn selbst bei einer nach objektiven Gesichtspunkten geringfügigen Pflichtverletzung könne der Käufer zumindest grundsätzlich die Rückabwicklung des Vertrags verlangen, wenn der Verkäufer - wie hier - einen Mangel arglistig verschwiegen habe.

Der BGH verwies darauf, die durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz mit Wirkung zum 01.01.2002 eingeführte Vorschrift des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB habe die bis dahin maßgebliche Regelung des § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. abgelöst. Während nach der früheren Gesetzeslage die Gewährleistungshaftung des Verkäufers bei Unerheblichkeit insgesamt entfallen sei, schließe das aktuelle Recht lediglich die Rückabwicklung des Kaufvertrags aus. Das Recht auf Minderung und der Anspruch auf kleinen Schadensersatz würden daneben bestehen bleiben. Schon nach altem Recht sei aber umstritten gewesen, ob der Haftungsausschluss bei geringfügigen Mängeln auch dann gelten soll, wenn der Verkäufer diese arglistig verschwiegen hätte. Der BGH habe diese Frage bislang offen gelassen.

Auch unter Geltung des neuen Rechts bestehe keine Einigkeit in dieser Frage, heißt es im Urteil weiter. Jetzt gehe der Streit darum, ob der Ausschluss der Rückabwicklung eines Vertrags auch dem arglistigen Verkäufer zustehe. Der Senat entscheide diese Rechtsfrage europarechtskonform gemäß Art. 3 Abs. 6 und 8 Abs. 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie dahinge hend, dass eine unerhebliche Pflichtverletzung zumindest in der Regel zu verneinen sei, wenn dem Verkäufer arglistiges Verhalten zur Last falle. Denn § 323 Abs. 5 S. 2 BGB knüpfe nicht mehr - wie im alten Recht - an die Unerheblichkeit des Mangels an, sondern an das Verhalten des Schuldners. Das lasse Raum für die Berücksichtung arglistigen Verhaltens.

In der Begründung des Urteils heißt es weiter, § 323 Abs. 5 s. 2 BGB enthalte eine Ausnahme von der allgemeinen Regelung, dass der Gläubiger bei einer Pflichtverletzung des Schuldners generell ein Rücktrittsrecht habe. Diesem Regel- Ausnahme-Verhältnis liege eine Abwägung der beiderseitigen Interessen zugrunde. Während der Gesetzgeber bei einer mangelhaften Leistung grundsätzlich dem Rückabwicklungsinteresse des Gläubigers den Vorrang einräume, solle dies ausnahmsweise bei einer unerheblichen Pflichtverletzung nicht gelten, weil dessen Interesse an einer Rückabwicklung bei nur geringfügigen Vertragsstörungen in der Regel gering sei, der Schuldner aber oft erheblich belastet werde. Daher überwiege in diesen Fällen dessen Interesse am Bestand des Vertrags. Dies gelte aber dann nicht, wenn dieser arglistig gehandelt habe. Denn in diesem Fall verdiene sein Vertrauen in den Bestand des Rechtsgeschäfts keinen Schutz.

Das Urteil des BGH zeigt einmal mehr die Bedeutung des europäischen Rechts für die Auslegung nationaler Normen des Zivilrechts. Der BGH betont die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung des deutschen Zivilrechts.

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