Bahnsteige sind erst ab einer bestimmten Größenordnung zwingend barrierefrei auszugestalten

01.01.2012

Bahnsteige sind erst ab einer bestimmten Größenordnung zwingend barrierefrei auszugestalten

Mit der Frage, inwieweit Bahnhöfe behindertenfreundliche, barrierefreie Bahnsteigzugänge einrichten müssen, hatte sich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zu befassen. Die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung enthält nach den Urteilen des BVerwG vom 05.04.2006 (9 C 1.05 und 9 C 2.05) keine konkreten Vorgaben hinsichtlich Art, Umfang und zeitlicher Verwirklichung des anzustrebenden barrierefreien Zugangs zu Bahnsteigen. Dies näher festzulegen habe der Gesetzgeber Programmen überlassen, die Eisenbahnunternehmer und Behindertenverbände gemeinsam zu erstellen haben. Nach den Kriterien des im Juni 2005 beschlossenen Programms der Deutschen Bahn ist die schrittweise Herstellung von barrierefreien Zugängen zu Bahnsteigen ab 1.000 Fahrgästen pro Tag vorgesehen.

Eine vom Eisenbahn-Bundesamt erteilte Plangenehmigung vom 07.05.2004 gestattete der Deutschen Bahn, aus Anlass einer Streckenmodernisierung in einem Bahnhof Bahnsteige umzubauen. Der neue Bahnsteig ist nur noch über Treppen erreichbar. Es wurden lediglich Schächte vorgesehen, die später mit behindertengerechten Fahrstühlen nachgerüstet werden können. Dagegen hatten zwei anerkannte Verbände für die Belange behinderter Menschen geklagt und sich auf die Eisenbahn-Bauund Betriebsordnung (EBO) berufen. Danach soll die Benutzung der Bahnanlagen und Fahrzeuge durch behinderte und alte Menschen sowie Kinder und sonstige Personen mit Nutzungsschwierigkeiten ohne besondere Erschwernis möglich sein. Der badenwürttembergische Verwaltungsgerichtshof (VGH Mannheim) hat die Klagen abgewiesen, weil der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung keine umfassende Verpflichtung der Eisenbahnunternehmen zur Herstellung von barrierefreien Zugängen zu Bahnsteigen entnommen werden könne.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Urteile des Verwaltungsgerichtshofs im Ergebnis bestätigt. Die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung enthalte keine konkreten Vorgaben hinsichtlich Art, Umfang und zeitlicher Verwirklichung des anzustrebenden barrierefreien Zugangs zu Bahnsteigen. Dies näher festzulegen, habe der Gesetzgeber bewusst den Programmen überlassen, die die Eisenbahnen unter Beteiligung der Behindertenverbände zu erstellen haben. Nach den Kriterien des im Juni 2005 beschlossenen Programms der Deutschen Bahn, die sie auch im vorliegenden Fall angewandt habe, sei die schrittweise Herstellung von barrierefreien Zugängen zu Bahnsteigen derzeit in der Regel beim Neu- oder Umbau von Bahnhöfen ab 1.000 Fahrgästen pro Tag vorgesehen. Diese Regel sei vor dem dargestellten rechtlichen Hintergrund nicht zu beanstanden.