Bei der Berechung des Elterngeldes sind Beschäftigungszeiten bei der Europäschen Union zu berücksichtigen

01.01.2012

Bei der Berechung des Elterngeldes sind Beschäftigungszeiten bei der Europäschen Union zu berücksichtigen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Vorabentscheidungsverfahren (Urteil vom 16.02.2006, C-294/04) festgestellt, dass Frauen diskriminiert werden, wenn ihre Ernennung als Beamtin in die Zeit ihres Mutterschaftsurlaubs fällt und bei der Berechnung des Dienstalters nicht dieser Zeitpunkt, sondern der spätere tatsächliche Dienstantritt gelten soll. Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass die Gemeinschaftsrichtlinie zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen jegliche Benachteiligung verbiete, die im Zusammenhang mit dem Mutterschaftsurlaub stehe. Dies gelte auch dann, wenn - wie in diesem Fall - ein neues Beschäftigungsverhältnis während des Mutterschaftsurlaubs begründet werde.

Die Vorabentscheidung betrifft einen Rechtsstreit zwischen der spanischen Staatsangehörigen Sarkatzis Herrero und dem Madrider Institut für Gesundheit. Die Klägerin war dort zunächst als Bedienstete auf Zeit beschäftigt. Sie bestand dann das Auswahlverfahren zur Einstellung von fest angestelltem Personal und wurde zur Beamtin ernannt. Eine entsprechende Stelle wurde ihr zugewiesen. Zu dieser Zeit befand sie sich in Mutterschaftsurlaub. Daher beantragte sie, die Monatsfrist für den Dienstantritt bis zum Ende des Urlaubs zu verschieben und den Urlaub bei der Berechnung ihres Dienstalters zu berücksichtigen. Das Institut gab zwar der Verschiebung statt, berücksichtigte aber die Zeit des Urlaubs nicht. Daraufhin klagte Frau Sarkatzis Herrero beim vorlegenden Gericht, mit dem Ziel, dass ihr Dienstalter als Beamtin ab dem Zeitpunkt ihrer Ernennung und nicht erst ab dem tatsächlichen Dienstantritt bei Ende des Mutterschaftsurlaubs berechnet werde. Das Gericht hat das Verfahren ausgesetzt, weil es Gemeinschaftsvorschriften über den Mutterschaftsurlaub und die Gleichbehandlung von Männern und Frauen für einschlägig hält.

Der EuGH stellte fest, dass allein die Richtlinie 76/207/EWG in diesem Fall einschlägig sei, die in Art. 3 Abs. 1 jegliche Diskriminierung beim Zugang zu Arbeitsplätzen aufgrund des Geschlechts verbietet. Der EuGH prüfte daraufhin die Frage, ob es eine Diskriminierung darstellt, wenn sich eine Beamtin zum Zeitpunkt ihrer Ernennung in Mutterschaftsurlaub befindet und der Beginn ihrer Laufbahn auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Dienstantritts verschoben wird. Bereits in früheren Urteilen hatte er entschieden, dass die Richtlinie auch für öffentlich- rechtliche Dienstverhältnisse gilt . Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie verbietet jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. So sind unmittelbare und mittelbare Diskriminierungen bei den Bedingungen - einschließlich der Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen - für den Zugang zur Beschäftigung verboten. Frauen dürfen bei der Ausübung ihrer Rechte, die ihnen nach Maßgabe der Richtlinie gewährt würden, nicht benachteiligt werden. Zu der konkreten Fragestellung der Auswirkung des Mutterschaftsurlaubs hatte der EuGH im so genannten Sass-Urteil festgestellt, dass eine Arbeitnehmerin vor jeder Benachteiligung geschützt ist, die darauf beruht, dass sie in Mutterschaftsurlaub ist oder war und dass eine Frau, die aufgrund ihrer durch den Mutterschaftsurlaub bedingten Abwesenheit benachteiligt wird, wegen ihrer Schwangerschaft diskriminiert wird.

In der damaligen Sass-Entscheidung traf allerdings der Mutterschaftsurlaub mit einer Laufbahnentwicklung zusammen. Wie der EuGH erklärte, unterscheide sich Fall Herrero hiervon jedoch, weil die Klägerin während ihres Mutterschaftsurlaubs in eine neue Beschäftigung eingetreten sei. Insoweit ziele die Richtlinie aber auf eine inhaltliche und nicht auf eine formelle Gleichheit ab. Daher müssten ihre Bestimmungen so ausgelegt werden, dass sie jede Benachteiligung als Folge des Mutterschaftsurlaubs verbiete. Es spiele keine Rolle, ob die Benachteiligung ein bestehendes oder ein neues Arbeitsverhältnis betreffe. Die Verschiebung des Dienstalters stelle sich daher im Ergebnis als Diskriminierung dar.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Joachim Krumb, Fachanwalt für Verwaltungsrecht