Keine Änderungskündigung allein wegen Entgeltsenkung

01.01.2012

Keine Änderungskündigung allein wegen Entgeltsenkung

Mit Urteil vom 12.01.2006 (2 AZR 126/05) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass eine Änderungskündigung zur Entgeltsenkung nicht allein deshalb sozial gerechtfertigt ist, weil eine neue gesetzliche Regelung die Möglichkeit vorsieht, durch Parteivereinbarung einen geringeren tariflichen Lohn festzulegen, als er dem Arbeitnehmer bisher gesetzlich oder vertraglich zustand. Das Bundesarbeitsgericht gab einer Leiharbeitnehmerin dahingehend Recht, dass kein dringendes betriebliches Erfordernis für eine solche Änderungskündigung vorliege.

Die Beklagte (Arbeitgeber) betreibt gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung. Die Klägerin war bei ihr befristet als Leiharbeitnehmerin beschäftigt. Sie wurde als Dozentin bei der GGmbH eingesetzt. Diese bezahlt die bei ihr tätigen Arbeitnehmer nach dem Bundes- Angestelltentarifvertrag in der für die Evangelische Kirche im Rheinland geltenden Fassung (BAT-KF). Klägerin und Beklagte hatten zuletzt ein Bruttomonatsgehalt von 2.660 Euro vereinbart.
Eine Vergütung nach dem BAT-KF hätte nach Berechnung der Klägerin etwa 400 Euro höher gelegen. Im Januar 2004 bot die Beklagte der nicht tarifgebundenen Klägerin durch Änderungskündigung eine Änderung der Arbeitsbedingungen an. Danach sollten in Zukunft die Tarifverträge des Interessenverbandes deutscher Zeitarbeitsunternehmen anwendbar sein, was zu einer Verringerung der Vergütung der Klägerin auf etwa 2.300 Euro geführt hätte. Diesen Verlust gegenüber der vereinbarten Vergütung wollte die Beklagte durch eine verrechenbare Besitzstandszulage ausgleichen.

Die Klägerin machte geltend, das Änderungsangebot führe trotz der Besitzstandszulage zu einer erheblichen Kürzung ihres gesetzlichen Entgeltanspruchs entsprechend dem BAT-KF. Diese sei sozial nicht gerechtfertigt. Die Beklagte hat geltend gemacht, sie habe ein wirtschaftliches Interesse, die Tarifverträge in alle Arbeitsverträge zu übernehmen und damit die Arbeitsbedingungen im Betrieb einheitlich zu gestalten. Das Arbeitsgericht hat zunächst die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat ihr demgegenüber stattgegeben. Die Revision der Beklagten blieb jetzt erfolglos. Das BAG ist dem LAG in der Begründung gefolgt, die Beklagte habe kein hinreichend dringendes betriebliches Erfordernis zur Änderung der Arbeitsbedingungen der Klägerin dargelegt.

Nach § 9 Nr. 2 AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) in der zur Zeit der Kündigung geltenden Fassung seien Vereinbarungen unwirksam, die für den Leiharbeitnehmer ein geringeres Entgelt vorsehen, als es vergleichbaren Arbeitnehmern des Entleihers gezahlt wird (sog. equal-pay-Gebot). Ein Tarifvertrag könne abweichende Regelungen zulassen. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages könnten nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren. Lehne der betroffene Arbeitnehmer es ab, im Gegensatz zu der bisherigen Vertragsgestaltung die Anwendung eines Tarifvertrages zu vereinbaren, der eine geringere als die im Entleiherbetrieb maßgebliche Vergütung vorsehe, rechtfertige dies allein noch nicht eine Änderungskündigung. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung zur Entgeltsenkung, die nachhaltig in das arbeitsvertragliche Verhältnis von Leistung und Gegenleistung eingreift, setze ein dringendes betriebliches Erfordernis voraus. Dieses muss laut BAG einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu unveränderten Bedingungen entgegenstehen. Das bloße Bestreben des Arbeitgebers, der mit anderen Arbeitnehmern entsprechende Vereinbarungen getroffen habe, zur Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen im Betrieb reiche hierfür nicht aus.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Joachim Krumb, Fachanwalt für Verwaltungsrecht