Entschädigung auch ohne Produktionsmittel auf der Baustelle

15.11.2020

In der Baupraxis ist es ein relativ häufig vorkommender Fall, dass ein Unternehmer zwar leistungsbereit ist, er aber seine Leistungen nicht bzw. nur verzögert erbringen kann, weil die erforderlichen Vorarbeiten (noch) nicht erbracht wurden. Im vorliegenden Fall klagte der beauftrage Fachbetrieb gegen den Auftraggeber auf Entschädigung. Dieser wehrte die Ansprüche mit der Begründung ab, dass der Betrieb ja noch keine Produktionsmittel, also Arbeitskräfte und Gerätschaften, auf die Baustelle verbracht habe.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG Karlsruhe) setzt eine Entschädigung gemäß § 642 BGB nicht voraus, dass Produktionsmittel auf der Baustelle permanent bereitgehalten werden. Es reicht aus, wenn diese bei Bedarf jederzeit auf der Baustelle eingesetzt werden können (Urteil vom 27.08.2020 – Az: 8 U 49/19).

Entschädigung wegen Annahmeverzug

Ein Fachbetrieb wurde von einem öffentlichen Auftraggeber mit der Ausführung von Parkettarbeiten im Rahmen des Neubaus einer Schule beauftragt. Ausführungsbeginn und Fertigstellung waren vertraglich genau vereinbart worden. Der Estrich konnte allerdings während des gesamten vereinbarten Ausführungszeitraums wegen zu hoher Restfeuchte nicht bearbeitet werden. Daher war es nicht möglich, die beauftragten Arbeiten wie vertraglich vorgesehen auszuführen, sondern erst gut zwei Monate nach der Frist. Nach erfolgter Endabnahme der Arbeiten stellte der Handwerker die Schlussrechnung, wobei er unter der Position „Annahmeverzug“ eine Entschädigung in Höhe von rund 73.000 EUR netto beanspruchte. Der öffentliche Auftraggeber kürzte die Rechnung unter anderem um den beanspruchten Entschädigungsanspruch, woraufhin der Fachbetrieb vor dem Landgericht Mosbach (LG Mosbach) klagte. Zur Begründung trug der Kläger vor, dass zwischen ihm und dem Auftraggeber keine neuen Vertragstermine vereinbart worden seien. Er habe deshalb während des gesamten vereinbarten zweimonatigen Ausführungszeitraums seine Mitarbeiter vergeblich vorhalten und weiterbezahlen müssen.

Das LG Mosbach hat mit seinem Urteil vom 18.04.2019 (Az: 2 O 232/17) dem Fachbetrieb einen Entschädigungsanspruch nur teilweise zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen, wobei es die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs nach § 642 BGB dem Grunde nach bejahte.

Beide Parteien haben die Entscheidung des LG Mosbach mit der Berufung angegriffen.

Entscheidung des OLG Karlsruhe

Zunächst stellte das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG Karlsruhe) fest, dass der Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB offensichtlich erfüllt ist, da der Auftraggeber dem Kläger während der gesamten vertraglich vorgesehenen Ausführungszeit kein belegreifes Baufeld zur Verfügung gestellt habe. Folglich habe der Betrieb die vertraglich vereinbarten Parkettarbeiten auch nicht erbringen können. Eine nachträgliche einvernehmliche Abänderung der ursprünglichen Ausführungsfristen konnte das OLG Karlsruhe nicht feststellen.

Da die Ausführungsfristen vertraglich exakt festgesetzt waren, bedurfte es keines weiteren Angebots mehr, um den Annahmeverzug zu begründen.

Vorhalten der Produktionsmittel

Ein Unternehmer kann eine angemessene Entschädigung dafür erhalten, dass er während des Verzugs Personal, Geräte und Kapital, also die Produktionsmittel, zur Herstellung der Werkleistung für das betreffende Bauvorhaben bereithält. Hierfür ist es erforderlich, dass diese dort jederzeit eingesetzt werden könnten. Nach Auffassung des OLG Karlsruhe ist es hierzu aber nicht zwingend erforderlich, dass diese auch während der Dauer des Annahmeverzugs auf die Baustelle verbracht und ausschließlich dort bereitgehalten werden. Hiergegen spricht – so das OLG Karlsruhe – bereits der Umstand, dass die Bereithaltung von Produktionsmitteln auf der Baustelle in vielen Fällen nur mit unnötigem zusätzlichem Aufwand verbunden und nicht praktikabel wäre.

Diese Voraussetzungen sieht das OLG Karlsruhe im vorliegenden Fall als gegeben an, denn der klagende Betrieb habe mehrere Geräte während des Annahmeverzugs produktionslos vorgehalten. Insoweit befand es das Gericht als ausreichend, dass die Geräte für das Bauvorhaben – statt direkt auf der Baustelle – im Werkzeugraum an einem speziell markiertem, dem Bauvorhaben konkret zugeordneten Abstellplatz auf dem Firmengelände des Fachbetriebs unweit des Bauvorhabens etwa 14 Tage vor dem geplanten Baubeginn bis 14 Tage nach geplanter Fertigstellung aufbewahrte.

Entschädigungshöhe

In Umsetzung der neuen Bundesgerichtshofs-Rechtsprechung schätzte das Gericht den Umfang der produktionslosen Vorhaltung der Produktionsmittel – Arbeitskräfte und Geräte – während der Dauer des Annahmeverzugs und bestimmte die Höhe der Entschädigung auf 42.588,2 Euro brutto und gab der Klage in dieser Höhe statt.

(Das Urteil ist – soweit ersichtlich – noch nicht rechtskräftig.)

Frühzeitige Dokumentation

Für einen Auftragnehmer stellt sich in derartigen Fällen die Frage, ob er für die Vorhaltung von Arbeitsmitteln und Arbeitskräften vom Auftraggeber eine wirtschaftliche Kompensation erhalten kann. Der verschuldensabhängige Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 6 S. 1 VOB/B wird zumeist daran scheitern, dass die Versäumnisse der Vorunternehmen dem Auftraggeber nicht zugerechnet werden können.

Häufig wird daher nur der verschuldensunabhängige Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB in Betracht kommen. Dieser setzt voraus, dass der Auftraggeber seine vertraglichen Mitwirkungspflichten nicht erfüllt hat und hierdurch in Verzug der Annahme geraten ist. Neben der Anzeige einer tatsächlich vorliegenden Behinderung bzw. deren Offensichtlichkeit für den anderen Vertragsteil setzt der Anspruch damit voraus, dass der Schuldner bzw. Auftragnehmer überhaupt leisten darf, zur Leistung bereit und imstande ist (§ 297 BGB) und seine Leistung wie geschuldet dem Gläubiger bzw. Auftraggeber in einer den Annahmeverzug begründenden Art und Weise anbietet (§§ 294-296 BGB).

Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich einerseits nach der Dauer des Annahmeverzugs und der jeweils vereinbarten Vergütung, andererseits danach, wieviel der Auftragnehmer infolge des Verzugs an Aufwendungen hätte ersparen oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft hätte erwerben können. Der Auftragnehmer muss folglich – will er mit seiner Klage Erfolg haben – dem Gericht konkrete Anhaltspunkte für die Höhe der Entschädigung vorlegen. Daher sollte er – am besten bereits während des bestehenden Annahmeverzug und nicht erst im Nachgang hierzu – hinreichend dokumentieren, welche Produktionsmittel er (wo, wann, wie lange etc.) vorgehalten hat.

(Autor: Rechtsanwalt Damian J. Krause)