Keine Erstattung der Kosten für externe Nachtragsbearbeitung

12.02.2021

Im Verlauf eines Bauprojektes geschieht es nicht selten, dass der Auftragsgeber zusätzliche, im Vorfeld nicht kalkulierte Arbeiten ausführen lässt. Solche Nachträge verursachen beim Auftragnehmer häufig einen erheblichen Zeit- und Kostenaufwand. Um die Nachtragsvergütung überhaupt berechnen zu können, muss ein Auftragnehmer in komplexen Fällen externe Privatgutachter konsultieren. In diesem Zusammenhang stellt sich dann die Frage, ob der Auftraggeber dem Auftragnehmer die entstandenen Kosten der externen Nachtragsbearbeitung erstatten muss.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist das zu verneinen. Die Bauvertragsparteien haben bei der Vereinbarung des neuen Preises gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B nur die Mehr- und Minderkosten zu berücksichtigen, die bei der Ausführung der vertraglich vereinbarten Leistung anfallen. Hierzu zählen nach Auffassung des BGH aber nicht die Kosten der externen Nachtragsbearbeitung, die lediglich zur Ermittlung der geschuldeten Vergütung erforderlich sind (Urteil vom 22.10.2020 – Az: VII ZR 10/17).

Vergabeverzögerung und Baustopp

Im vorliegen Fall hat ein Unternehmen den Auftraggeber aus einem VOB/B-Vertrag auf Zahlung einer Mehrvergütung verklagt, weil es zu Vergabeverzögerungen und einem Baustopp gekommen war.

Nachdem die Parteien die Bindefrist mehrfach einvernehmlich verlängert hatten, erhielt der Auftragnehmer auf sein Angebot den Zuschlag. Der Bauablaufplan wurde an den verspäteten Zuschlag angepasst. In der Ausführungsphase kam es dann wegen einer fehlenden Genehmigung zu einem Baustopp, weshalb das Bauvorhaben insgesamt erst annähernd 13 Monate später fertiggestellt werden konnte.

Zur Vorbereitung der Schlussrechnung beauftragte der Auftragnehmer einen externen Privatgutachter mit der Ermittlung der verzögerungsbedingt entstandenen Mehrkosten. Mit der Klage verlangt der Auftragnehmer vom Auftraggeber unter anderem die Erstattung der Kosten für das eingeholte Privatgutachten im Umfang von ca. 81.000 € brutto.

Kein Zusammenhang mit der Ausführung der Leistung

Nach Auffassung des BGH können Kosten eines Privatgutachtens, die ein Auftragnehmer zur Ermittlung der Mehrvergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B aufwendet, nicht selbst Gegenstand dieser Vergütung sein.

Die Vertragsparteien sind verpflichtet, einen neuen Preis unter Berücksichtigung von Mehr- und Minderkosten zu vereinbaren, wenn sich die Grundlagen des Preises für die vertragliche Leistung durch nachträgliche Änderungen geändert haben. Diese Regelung kann nach Auffassung des BGH nur so verstanden werden, dass die Parteien bei der Vereinbarung des neuen Preises nur die Mehr- und Minderkosten berücksichtigen sollen, die bei der Ausführung der betroffenen vertraglich vereinbarten Leistung anfallen. Hierzu zählen aber nicht die Kosten für die Ermittlung der geschuldeten Vergütung.

Kein Verlangen zur Vorlage eines Gutachtens

Einen Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Abs. 9 Nr. 1 VOB/B lehnt der BGH ebenfalls ab. Nach dieser Regelung hat der Auftraggeber Zeichnungen, Berechnungen oder andere Unterlagen zu vergüten, wenn er diese vom Auftragnehmer verlangt, obwohl er sie gemäß Vertrag nicht zu beschaffen hat.

Nach Auffassung des BGH kann aber allein die Änderung des Bauentwurfs, eine andere Anordnung des Auftraggebers oder eine verspätete Zuschlagserteilung nicht so ausgelegt werden, als verlange der Auftraggeber vom Auftragnehmer, ein Gutachten über die zu beanspruchende Vergütung vorzulegen.

Erhöhtes Kostenrisiko

Die vorliegende Entscheidung des BGH hat für die Baupraxis und den Umgang mit Nachtragsbearbeitungskosten eine erhebliche Auswirkung. Bei komplexen Sachverhalten wird sich die Baupraxis zukünftig gründlicher die Frage stellen müssen, ob sich der Kostenaufwand für die Ermittlung und Darstellung der Mehrvergütung nach § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B wirtschaftlich überhaupt lohnt. Auch dürften die Entscheidungsgründe auf die Frage der Erstattungsfähigkeit interner Nachtragsbearbeitungskosten übertragbar sein.