Naturschutzrechtlicher Ausgleich im beschleunigten Verfahren?

15.03.2021

Das beschleunigte Verfahren ist das Mittel der Wahl für Städte und Gemeinden, wenn es um die Überplanung von Lagen im Innenbereich geht. Denn neben anderen Vorzügen, die das Verfahren nach § 13a BauGB bereithält, findet die Eingriffsregelung keine Anwendung. Eingriffe in Natur und Landschaft, die durch den Bebauungsplan zugelassen werden, müssen also nicht ausgeglichen werden. Aber stimmt das auch immer?

Mit dieser Frage hatte sich der VGH Mannheim in einem Normenkontrollverfahren auseinanderzusetzen (Urteil vom 09.09.2020 - 5 S 734/18 -, juris). Gegenstand des Normenkontrollverfahrens war ein Bebauungsplan, der im beschleunigten Verfahren aufgestellt worden war. Der Änderungsbebauungsplan sah für ein Grundstück, für das bislang Ausgleichsflächen festgesetzt waren, eine bauliche Nutzung vor. Der Nachbar, der aus leicht nachvollziehbaren Gründen um den Lagevorteil seines eigenen Grundstücks fürchtete, zog vors Gericht. Der bisherige Blick ins Grüne – auf die bislang festgesetzte Ausgleichsfläche – erschien ihm wesentlich attraktiver als das nun erlaubte Mehrfamilienhaus. Sein Rechtsanwalt wusste freilich, dass das alleine kein Argument ist, das den VGH überzeugen würde. Denn der unverbauten Blick ins Grüne ist im Allgemeinen nicht von der Rechtsordnung geschützt. Er stützte den Normenkontrollantrag stattdessen darauf, dass eine einmal festgesetzte Ausgleichsfläche – hier in der Form einer öffentlichen Grünfläche – erhalten bleiben müsse und nicht durch einen späteren Änderungsbebauungsplan im Interesse einer baulichen Nutzung aufgegeben werden dürfe. Die Gemeinde hielt dagegen: Öffentliche Grünfläche hin oder her, bei einem Bebauungsplan der Innenentwicklung, der im beschleunigten Verfahren aufgestellt werde, müssten Eingriffe in Natur und Landschaft nicht ausgeglichen werden. So stehe es schließlich im Gesetz (§ 13a Abs. 2 Nr. 4 BauGB).

Hintergrund: Die städtebauliche Eingriffsregelung gemäß § 1a Abs. 3 BauGB

Im Ausgangspunkt steht zunächst einmal § 15 BNatSchG. Danach müssen vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft unterbleiben. Unvermeidbare Beeinträchtigungen müssen ausgeglichen oder ersetzt werden. Ausgeglichen ist eine Beeinträchtigung, wenn und soweit die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in gleichartiger Weise wiederhergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist (Ausgleichsmaßnahmen). Kann dies nicht geschehen, genügt eine gleichwertige Wiederherstellung (Ersatzmaßnahmen). Diese Pflicht richtet sich an den Verursacher des Eingriffs. Verursacher ist beispielsweise der Bauherr, der eine Wiese mit einem Wohngebäude überbaut. Erst auf den zweiten Blick erschließt sich, warum diese Ausgangslage einen Regelungsbedarf für die Aufstellung von Bebauungsplänen auslöst. Denn auf den ersten Blick hat die Gemeinde nichts damit zu schaffen, wenn der Bauherr einen Eingriff in Natur und Landschaft verursacht und diesen dann auszugleichen hat. Das Problem liegt schlicht darin, dass der Bauherr in der Regel gar nicht in der Lage ist, die erforderlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durchzuführen, weil ihm weder die dafür erforderlichen Flächen noch das notwendige Know-how zur Verfügung stehen. Deshalb gab es früher vor Einführung der sogenannten städtebaulichen Eingriffsregelung immer wieder Probleme im Vollzug. Durch die städtebauliche Eingriffsregelung, heute: § 1a Abs. 3 BauGB, wurde die Ausgleichspflicht auf die Planungsebene gehoben. Schon der Plangeber, der durch die entsprechende Festsetzung beispielsweise eines Wohngebiets den Eingriff in Natur und Landschaft vorbereitet, muss sich seither um den Ausgleich kümmern. Die Grundstückseigentümer/Bauherrn sind von dieser Pflicht befreit (vgl. § 18 Abs. BNatSchG). Die Kosten für die Ausgleichsmaßnahmen kann die Gemeinde auf die insoweit entlastenden Grundstückseigentümer umlegen. Dieses Prinzip hat sich bewährt. Allerdings verursacht es einen gewissen Aufwand, den Eingriff, der durch einen Bebauungsplan vorbereitet wird, genau zu ermitteln und Flächen zu finden, auf denen die Ausgleichsmaßnahme durchgeführt werden können.

Das beschleunigte Verfahren nach § 13a BauGB

Hier setzt das beschleunigte Verfahren an: Mit der Einführung des beschleunigten Verfahrens wollte der Gesetzgeber die Nachverdichtung des Innenbereichs erleichtern, um den fortschreitenden Flächenverbrauch durch Überplanung von Außenbereichsflächen zu verlangsamen. Sogenannte Bebauungspläne der Innenentwicklung dürfen daher in einem beschleunigten Verfahren aufgestellt werden. Eine wesentliche Erleichterung liegt darin, dass Eingriffe in Natur und Landschaft, die durch einen solchen Bebauungsplan zugelassen werden, entgegen § 1a Abs. 3 BauGB nicht ausgeglichen werden müssen (§ 13a Abs. 2 Nr. 4 BauGB). Bebauungspläne der Innenentwicklung sind, vereinfacht ausgedrückt, vom Anwendungsbereich des § 1a Abs. 3 BauGB ausgenommen.

Die Entscheidung des VGH Mannheim

Es ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, bereits früher festgesetzte Ausgleichsflächen anderweitig zu überplanen, also zum Beispiel als Baufläche auszuweisen, selbst wenn dadurch die zugedachte Ausgleichsfunktion vollständig entfällt. Die Entscheidung unterliegt der Abwägung. Wenn sich die Gemeinde als Ergebnis einer fehlerfreien Abwägung aber für eine solche Planänderung entscheidet, dann muss sie die weggefallene Ausgleichsmaßnahme gleichwertig an anderer Stelle festsetzen. Von dieser Verpflichtung ist die Gemeinde selbst dann nicht entbunden, wenn es sich um einen Bebauungsplan der Innenentwicklung handelt. Die Gemeinde im Ausgangsfall war offenbar gut beraten: Sie hatte vorsorglich die weggefallene Ausgleichsmaßnahme an anderer Stelle gleichwertig festgesetzt und ihren Abwägungsvorgang sauber dokumentiert. Der Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan wurde abgelehnt.

Auswirkungen für die Praxis

Die Rechtsprechung des VGH Mannheim dürfte auf die Rechtslage in Hessen übertragbar sein. Für ein Planfeststellungsverfahren hatte der VGH Kassel schon in ähnlicher Weise geurteilt (Urteil vom 28.06.2005 - 12 A 8/05 -, juris). Danach ist es grundsätzlich möglich, bestehende Ausgleichsflächen anderweitig zu überplanen. Dann muss aber die weggefallene Ausgleichsmaßnahme an anderer Stelle gleichwertig festgesetzt werden. Städte und Gemeinden müssen im Blick behalten, dass diese Verpflichtung auch für Bebauungspläne der Innenentwicklung im beschleunigten Verfahren gilt.