Geltendmachen von Abwägungsfehlern bei Bebauungsplänen

15.03.2021

Wenn Gemeinden Bebauungspläne aufstellen, sehen Anwohner nicht selten ihre persönlichen Rechte verletzt. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat nun präzisiert, welche Einwände hiergegen (keinen) Erfolg haben können. Konkret ging es um die mögliche Beeinträchtigung von Nachbargrundstücken durch Überschattung oder Verbauen des Ausblicks.

Ausgangspunkt der Entscheidung des BVerwG ist ein Normenkontrollverfahren gem. § 47 VwGO vor dem Oberverwaltungsgericht Münster, Nordrhein-Westfalen. Das antragstellende Ehepaar hatte sich gegen die Aufstellung eines Bebauungsplanes durch eine nordrhein-westfälische Gemeinde gewendet. Das Ehepaar ist Eigentümer eines Einfamilienhauses. In unmittelbarer Nähe hat die Gemeinde ein neues Baugebiet mit 64 Wohneinheiten in Form von Einzel- und Doppelhäusern ausgewiesen. Die landesrechtlichen Abstandsflächen zu dem Wohnhaus der Eheleute wurden sogar über das Mindestmaß hinaus eingehalten.

Das klagende Ehepaar rügt einen Verstoß gegen das Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 Baugesetzbuch (BauGB). Bei der Aufstellung von Bauleitplänen müssen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abgewogen werden. Die Abwägung bildet den eigentlichen Kern der Planungsentscheidung. Dabei ist aber nicht jeder private Aspekt zu berücksichtigen, sondern nur solche Belange, die mit einer gewissen Quantität und Qualität (Erheblichkeit) auf die Planungen einwirken können. Nicht abwägungserheblich sind vor allem rechtlich nicht geschützte Interessen.

Die Gemeinde, so die Kläger, habe hierbei die sie betreffenden Belange nicht hinreichend gewürdigt. Sie argumentierten, dass die verdichtete Bebauung ihnen die Aussicht nehme und zu einer starken Beengung führe, woraus eine unzumutbare Verschattung ihres Grundstücks resultiere. Diese Gründe genügten dem OVG Münster nicht, um eine Rechtsverletzung des Ehepaars für gegeben zu erachten und lehnte den Normenkontrollantrag mangels Antragsbefugnis als unzulässig ab.

Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht bestätige die Entscheidung des OVG Münster. Das Ehepaar habe nicht hinreichend geltend gemacht, inwieweit die Neuplanung ihre eigenen Rechten verletze. Generell haben Nachbarn bei der Aufstellung oder Änderung von Bebauungsplänen das Recht, dass ihre eigenen Belange berücksichtigt werden, vorausgesetzt, dass diese abwägungserheblich sind.

Keinen abwägungserheblichen Belang stellt das Interesse des Ehepaars am Erhalt des Status quo in Form von unbebauten Nachbargrundstücken dar. Enthält ein Bebauungsplan zunächst keine Festsetzungen, die eine Bebauung bestimmter Flächen erlauben, so kann auf den Fortbestand dieser Regelung nicht auf alle Ewigkeit vertraut werden.
Auch die drohende Verschattung eines Grundstücks stellt regelmäßig keinen abwägungserheblichen Belang dar, soweit die landesrechtlichen Abstandsflächen eingehalten werden. Dies galt im vorliegenden Fall umso mehr, da der Neubau mit einer Traufhöhe von 4 Meter auf eine Entfernung von mindestens 23 Meter zum Haus der Eheleute allenfalls eine geringfügige Beschattung verursache. Vielmehr hätte das Gegenteil nachgewiesen werden müssen, um einen abwägungserheblichen Belang trotz Einhaltung der Abstandsflächen plausibel zu begründen.

Das private Interesse an der Erhaltung einer Aussichts- oder Ortsrandlage stellt grundsätzlich einen abwägungsrelevanten Belang dar. Jedoch konnten die Eheleute keine Beeinträchtigung nachweisen, die geeignet gewesen wäre, einen zulässigen Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan zu begründen. Das Interesse, lieber ins Grüne zu blicken als Häuser zu sehen, ist allein nicht ausreichend. Ebenso verhält es sich mit dem Gefühl einer Beengung durch die hinzutretende Bebauung.

Zuletzt verpflichtet der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die Bauleitplanung nicht, stets gleiche Abstände zwischen einzelnen Gebäuden vorzusehen.

Fazit

Das Urteil des Verwaltungsgerichts stellt zum einen klar, dass die planende Gemeinde im Rahmen der Bauleitplanung nicht jedes erdenkliche Nachbarinteresse berücksichtigen muss. Zum anderen unterstreicht die Entscheidung in prozessualer Hinsicht, dass eine erhebliche Beeinträchtigung eigener Rechte in substantiierter Weise vorgetragen werden muss.

(BVerwG, Beschluss vom 28. Oktober 2020 – 4 BN 44/20)