HOAI ist kein Maßstab für Auftragswerte von Planungsleistungen!

15.02.2023

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat entschieden (Beschluss vom 04.05.2022 - 15 Verg 1/22), dass öffentliche Auftraggeber bei Planervergaben das voraussichtliche Honorar auf einen Wert unterhalb des Basishonorars der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) schätzen dürfen. Da die HOAI kein verbindliches Preisrecht mehr enthält, sei sie kein Maßstab mehr für die Auftragswertschätzung von Planerleistungen, wenn mit Angeboten unterhalb des HOAI-Basishonorars gerechnet werden kann.

Unterschiedliche Auftragswertschätzungen

Der Auftraggeber (AG) schreibt Ingenieurleistungen der Technischen Gebäudeausrüstung für einen Küchenneubau EU-weit aus. Den Auftragswert schätzt er auf Basis der HOAI auf 367.500 Euro netto. Die eingegangenen Angebote liegen allesamt deutlich niedriger; sogar unterhalb des EU-Schwellenwerts (von damals 214.000 € und derzeit 215.000 € netto). Daraufhin hebt der AG das Vergabeverfahren auf und führt ein nationales Vergabeverfahren durch. Ein Bieter, dem der Zuschlag nicht erteilt wurde, rügt dies und führt ein Nachprüfungsverfahren durch. Er moniert, dass der Auftrag EU-weit hätte ausgeschrieben werden müssen, weswegen auch die Zuständigkeit der Vergabekammer gegeben sei. Der AG habe fehlerhaft die Honorarzone II statt der Honorarzone III vorgegeben, welche aufgrund der Planung einer Großküche zutreffend sei. Zudem dürfe ein öffentlicher Auftraggeber keine Vorgaben machen, die zu einer Unterschreitung der HOAI-Basishonorare führen. Planerleistungen würden gemäß § 76 Vergabeverordnung (VgV) im Leistungs- und nicht im Preiswettbewerb vergeben.

Bieter hat keinen Erfolg

Das OLG Karlsruhe weist den Nachprüfungsantrag des Bieters zurück. Die Zuständigkeit der Vergabekammer sei nicht gegeben, da der Auftragswert den EU-Schwellenwert nicht erreiche. Zu Recht habe die Vergabekammer den Auftragswert selbst geschätzt, da es an einer ordnungsgemäßen Auftragswertschätzung durch den AG gefehlt habe. Dieser Schätzung sei der Verkehrs- oder Marktwert zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zugrunde zu legen (§ 3 Abs. 3 VgV).

Dabei komme den bereits im ersten (aufgehobenen) Vergabeverfahren eingegangenen Angeboten entscheidende Bedeutung zu, welche allesamt auf Basis der Honorarzone II erstellt worden seien und unterhalb des EU-Schwellenwertes lagen. Hinzu komme, dass beide Ausschreibungen den gleichen Auftragsinhalt hatten. Der Verwertbarkeit dieser Angebote für die Auftragswertschätzung des zweiten Vergabeverfahrens stehe daher auch nicht entgegen, dass der AG nur die Honorarzone II vorgegeben habe.

Das Honorar könne zwischen dem AG und dem Ingenieur unabhängig von der neuen HOAI vereinbart werden, da diese keine verbindlichen Vorgaben für die Honorare von Architekten und Ingenieuren mehr enthalte. Daher stehe der Auftragswertschätzung nicht entgegen, dass die früheren Angebote angeblich (aus Sicht des Bieters) zu einer Unterschreitung des Basishonorars geführt haben. Hierfür spreche auch die zum 19.11.2020 geänderte Neuregelung des § 76 Abs. 1 Satz 2 VgV, wonach auf die zu erbringende Leistung anwendbare Gebühren- oder Honorarordnungen unberührt bleiben.

Keine Bindung, aber „richtig“ schätzen!

Nach dieser Entscheidung gilt die Freiheit der Vertragsparteien, Honorare unterhalb des Basishonorars zu vereinbaren, auch für öffentliche Auftraggeber. Diese sind bei ihrer Auftragswertschätzung nicht mehr an die Vorgaben der HOAI gebunden, da diese kein zwingendes Preisrecht mehr enthält. Deshalb kam es auch nicht streitentscheidend darauf an, ob das Bauvorhaben "objektiv" der Honorarzone II oder III zuzuordnen war.

Auftraggebern ist trotzdem zu empfehlen, zu Beginn des Vergabeverfahrens (also i.d.R. vor der Veröffentlichung ihrer Bekanntmachung) belastbare Auftragswertschätzungen auf Basis aktueller Verkehrs- oder Marktwerte zu erstellen und diese auch zu dokumentieren.