Architekt haftet für seine Fehler in der Leistungsphase 9 allein

15.03.2023

Wenn ein bauausführendes Unternehmen mangelhaft leistet und der Architekt dies im Rahmen seiner Pflichten aus der Leistungsphase 9 übersieht, warf dies bislang die Frage auf, ob die beiden Unternehmer für diesen Schaden gemeinsam einzustehen haben oder ob die Ansprüche jeweils getrennt voneinander zu behandeln sind. Der Bundesgerichtshof (Urt. 01.12.2022 – VII ZR 90/22) nahm dazu kürzlich Stellung und stellte klar, dass eine gemeinsame Haftung ausscheidet, da zwischen dem Architekten und dem bauausführenden Unternehmen kein Gesamtschuldverhältnis besteht.

Kein Ausgleichsanspruch gegen das ausführende Bauunternehmen

Dem Bundesgerichtshof (BGH) lag die Revision des Haftpflichtversicherers eines Architekten zur Entscheidung vor, der von einem ausführenden Gipserbetrieb Ausgleichsansprüche forderte. Zuvor wurde der Architekt selbst zur Verantwortung gezogen, weil er seiner Pflicht zur Feststellung der vom Gipserbetrieb verursachten Mängel nicht nachgekommen war. Deshalb wagte die Haftpflichtversicherung den Versuch, die Schäden teilweise an das ausführende Bauunternehmen weiterzugeben.

Hintergrund der Haftung des Architekten sind Feuchtigkeitsschäden, welche erst nach Abnahme in Erscheinung getreten waren. Der auch mit der Leistungsphase 9 beauftragte Architekt hatte es unterlassen, diese Schäden kurz vor Ablauf der Gewährleistungsfrist sachverständig untersuchen zu lassen. Dies führte zu dem für den Auftraggeber fatalen Ergebnis, dass die Mängelrechte gegenüber dem ausführenden Bauunternehmen verjährt waren. Aus diesem Grund konnte der Auftraggeber gegen den Gipserbetrieb nicht mehr vorgehen und forderte von dem Architekten Ersatz für die ihm entstandenen Schäden. Der Architekt sah die Verantwortung jedoch nicht allein bei sich und wandte sich an den Gipserbetrieb. Allerdings ohne Erfolg.

Liegt ein Gesamtschuldverhältnis vor?

Voraussetzung eines Ausgleichsanspruches ist das Bestehen eines Gesamtschuldverhältnisses. Dieses erfordert eine Gleichstufigkeit der Verpflichtungen der jeweils Haftenden. Eine solche Gleichstufigkeit ist allerdings nicht gegeben, wenn der Zweck der einen Leistung gegenüber der anderen Leistung nachrangig ist.

Der Zweck der Objektbegehung in Leistungsphase 9 ist es, dem Auftraggeber bestehende Mängel kurz vor Ablauf der Gewährleistungsfrist mitzuteilen, damit dieser rechtzeitig etwaige Mängelbeseitigungsansprüche geltend machen kann. Erst wenn die Ansprüche gegenüber dem bauausführenden Unternehmen verjährt sind, entsteht der Schadensersatzanspruch gegen den Architekten wegen dessen unterlassener Objektbegehung, weil der eigentliche Zweck dieser Leistungspflicht ausgeblieben ist. Andersherum fehlt es an einem Schaden, der vom Architekten zu vertreten wäre, sofern die Mängel durch das ausführende Unternehmen rechtzeitig beseitigt werden.

Folglich bestehen die beiden Ansprüche nie gleichzeitig, sondern nachrangig. Aus diesem Grund scheidet eine Gesamtschuldnerschaft der Unternehmer und in der Folge ein Ausgleichanspruch seitens des Architekten aus.

Fälle, in denen eine Gesamtschuld besteht

Eine Gleichstufigkeit wird lediglich in den Fällen angenommen, in denen Pflichtverletzungen im Rahmen der Leistungsphase 9 auf Mängelrechte gegen das ausführende Unternehmen treffen. Bezieht sich die Pflichtverletzung des Architekten jedoch auf die Leistungsphasen 1-8, steht dieser Anspruch mit den allgemeinen Mängelrechten gegenüber dem ausführenden Bauunternehmen auf einer Stufe, sodass die Voraussetzungen des Gesamtschuldverhältnisses vorliegen. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit Einführung des § 650 t BGB nun auch gesetzlich verankert.

Haftungsdauer des Architekten

Dieses Urteil veranschaulicht die Problematik, dass der Architekt über einen ausgesprochen langen Zeitraum haftbar ist. Denn sofern dieser mit der Leistungsphase 9 betraut ist, beginnt die Gewährleistungsfrist für etwaige Versäumnisse in dieser letzten Leistungsphase erst mit Abschluss der Objektbegehung, welche erst kurz vor Verjährungseintritt der Gewährleistungsansprüche erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt ist das Bauwerk in der Regel bereits seit fünf Jahren fertiggestellt und ebenso lange in Betrieb. Wenngleich die Haftung für die Leistungsphasen 1-8 zu diesem Zeitpunkt gerade verjährt, so beginnt die Haftungsfrist für etwaige Versäumnisse in der Leistungsphase 9 erst zu laufen. Da für diese Leistung üblicherweise ebenfalls die Gewährleistungsdauer von fünf Jahren vereinbart wird, führt dies dazu, dass der Architekt mindestens für zehn Jahre nach Fertigstellung des Bauwerks mit einer etwaigen Inanspruchnahme rechnen muss. Anderseits besteht aus Sicht des geschädigten Auftraggebers damit selbst nach Ablauf aller Gewährleistungsfristen gegenüber dem ausführenden Unternehmen noch Hoffnung, zumindest teilweisen Ersatz für die entstanden Schäden zu erhalten.

Praxishinweis

Sofern der beauftragte Architekt seiner Untersuchungspflicht hinsichtlich bestehender Mängel nach Abnahme der Bauleistung nicht ausreichend nachgekommen ist, macht er sich schadensersatzpflichtig. Er haftet dem Bauherrn gegenüber jedoch nicht im Verhältnis zum ausführenden Unternehmen als Gesamtschuldner. Zu beachten ist, dass diese Rechtsprechung ausschließlich für Pflichtverletzungen im Rahmen der Leistungsphase 9 gilt. Sofern die Pflichtverletzung aus den Leistungsphasen 1-8 stammen sollte, haben der Architekt und das bauausführende Unternehmen dafür gesamtschuldnerisch einzustehen.