Einschreiten gegen Schotterbeete zugunsten des „grünen Charakters“

15.05.2023

Ein sogenanntes “Schotterbeet” stellt keine Grünfläche im Sinne der Landesbauordnung dar. Daher ist ein Einschreiten in Form einer Beseitigungsverfügung grundsätzlich möglich. In diesem Sinne entschied das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) einen Streit über die Rechtmäßigkeit eines bauaufsichtlichen Einschreitens gegen die Gestaltung eines Vorgartens zu Gunsten der Behörde (Beschl. v. 17.01.2023, Az. 1 LA 20/22). Die hessische Landesbauordnung enthält eine gleichlautende Regelung.

Pflicht zur Begrünung von nicht überbauten Flächen

Die Kläger sind Eigentümer eines Einfamilienhauses. In südlicher und westlicher Richtung ist das Einfamilienhaus von einer Rasenfläche umgeben. In nördlicher und östlicher Richtung hingegen befindet sich ein durch die Einfahrt in zwei Flächen geteilter Vorgarten. Dieser Vorgarten wurde von den Eigentümern bereits vor über einem Jahrzehnt mit einer Kiesfläche angelegt. Um einer möglichen Begrünungspflicht nachzukommen, pflanzten die Kläger inmitten des Steinbeetes einige Sträucher, Koniferen und Bodendecker.

Die zuständige Behörde sah in der Errichtung des Steinvorgartens dennoch einen Verstoß gegen die Niedersächsische Bauordnung (NBauO) und erließ eine Beseitigungsverfügung. Nachdem die Kläger erfolglos Widerspruch eingelegt hatten und auch die Klage vor dem Verwaltungsgericht Hannover erfolglos war, wurde die Berufung durch das OVG Lüneburg letztlich nicht zugelassen. Das zuvor ergangene Urteil sei nicht ernstlich anzuzweifeln.

§ 9 Abs. 2 NBauO sieht vor, dass die nicht überbauten Flächen von Baugrundstücken Grünflächen sein müssen, soweit sie nicht für eine andere zulässige Nutzung erforderlich sind. Eine Grünfläche sei als solche zu werten, wenn sie naturbelassen oder durch die Anpflanzung einer Vielzahl von Pflanzen als solche zu erkennen sei. Das Gericht stellte folglich auf den „grünen Charakter“ der Flächen ab, wobei stets der Einzelfall zu bewerten sei. Pauschale Aussagen oder gar eine mathematisch-schematische Betrachtung verbiete sich laut des OVG Lüneburg. Der Senat machte darüber hinaus deutlich, dass es sich bei einem Kiesbeet nicht um eine Grünfläche im Sinne des § 9 NBauO handelt. Zwar wolle man Steine nicht grundsätzlich bei der Gestaltung eines (Vor-)Gartens ausschließen, doch komme es maßgeblich auf den Gesamteindruck der zu bewertenden Fläche an.

Einzelne Pflanzen begründen nicht den „grünen Charakter“

Im vorliegenden Fall umfasste der Vorgarten der Klägerin eine insgesamt 50 Quadratmeter große Kiesfläche. Diese war laut des OVG als prägend einzustufen. Die einzeln gepflanzten Sträucher änderten an dieser Betrachtung nichts. Die punktuell gepflanzten Sträucher, die teilweise eine Höhe von zwei Meter erreichen konnten, dehnten sich lediglich in den Luftraum aus. Die Kiesfläche trat hierdurch nicht in den Hintergrund. Eine abweichende Beurteilung ergebe sich allenfalls, wenn inmitten einer Grünfläche einzelne Steine vorhanden sind und diese der Grünfläche sowohl in funktioneller als auch in räumlich gegenständlicher Hinsicht dienend zu- oder untergeordnet sind. Denn dann würde die Grünfläche überwiegen und die Steine in den Hintergrund treten.

Eine Zuordnung der beiden Vorgartenflächen zu der Rasenfläche im hinteren Grundstücksbereich ist laut des Senats ebenfalls nicht anzunehmen. Die Kiesfläche ordnet sich dem hinteren Bereich weder zu noch unter, sodass sie als separate Flächen zu betrachten sei. Dies ergebe sich schon aus der räumlichen Trennung der Flächen.

Zusätzlich erteilt der Senat einer relativen Wertung der Flächen in Bezug auf die Gesamtfläche der nicht überbauten Grundstücksfläche eine Absage. Diese Vorgehensweise ergebe sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus dem Gesetzeszweck des § 9 Abs. 2 NBauO. Die Begrünungspflicht der nicht überbauten Grundstücksflächen zielt auf eine Verbesserung des Kleinklimas ab und fördert zusätzlich den Wasserhaushalt. Hinzu kommt der Wunsch, einer „Versteinerung“ der Stadt entgegenzuwirken. Diese Ziele würden bei einer relativen Betrachtung verfehlt werden.

Erlass einer bauaufsichtlichen Verfügung auch noch nach über 10 Jahren möglich

Der Erlass einer Beseitigungsverfügung ist auch nach mehreren Jahren noch möglich, vorausgesetzt die bauliche Anlage stand zu keinem Zeitpunkt im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben . Im hiesigen Verfahren war diese Voraussetzung anhand der Niedersächsischen Bauordnung zu bewerten. Diese trat bereits 1973 in Kraft und sieht seither die Pflicht zur Begrünung vor, somit auch zum Zeitpunkt der Errichtung des Steinvorgartens.

Eine Parallelvorschrift zu § 9 Abs. 2 NBauO findet sich auch in der Hessischen Bauordnung (HBO). § 8 Abs. 1 S.1 HBO sieht eine ähnlich lautende Regelung vor. Danach sind die nicht überbauten Flächen der bebauten Grundstücke zu begrünen oder zu bepflanzen, soweit sie nicht für eine andere zulässige Verwendung benötigt werden. Ein Fall wie der hier beschriebene könnte sich daher auch in Hessen abspielen. Abgesehen davon enthalten die Landesbauordnungen die Möglichkeit in Form einer örtlichen Satzung Vorgaben zu treffen. In Hessen ergibt sich diese Befugnis aus § 91 Abs. 1 HBO. So kann mittels einer entsprechenden Satzung eine gärtnerische Gestaltung geboten sein, an anderen Stellen werden Schottergärten sogar gänzlich ausgeschlossen.

Der Erlass von bauaufsichtlichen Verfügungen ist demnach in vielen Bundesländern – auch in Hessen – möglich und zum Teil auch wahrscheinlich. Die Grundstückseigentümer sollten sich nicht in Sicherheit wiegen, selbst dann nicht, wenn die Steinbeete bereits seit geraumer Zeit bestehen.

Die zum Teil sehr späte Reaktion der zuständigen Behörden zeigt einmal mehr, dass die gesetzliche Verankerung der Eingriffsmöglichkeit allein nicht genügt. Das Tätigwerden einzelner Behörden hängt vielmehr von den personellen Kapazitäten vor Ort ab. Im vorliegenden Fall gab die zuständige Behörde an, dass sie nach einem Informationsschreiben des Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz tätig wurde und systematisch alle Vorgärten des Zuständigkeitsbereichs überprüfte.

Im Gegensatz zu einem subjektiv-rechtlichen Anspruchs eines Nachbarn auf Einschreiten, der im Laufe der Zeit verwirkt sei, ist ein spätes Einschreiten der zuständigen Behörde aufgrund des öffentlichen Interesses jederzeit möglich. Es empfiehlt sich daher in jedem Fall ein kurzer Blick in die Landesbauordnung und aus dem Fenster in den eigenen Vorgarten.