Keine Vertragsstrafe bei verschobener Fertigstellungsfrist

14.04.2022

Gerichte haben immer wieder über die Verschiebung von Fertigstellungsfristen und damit zusammenhängende Vertragsstrafen-Regelungen zu entscheiden. Mit der Frage, ob eine vereinbarte Vertragsstrafe im ursprünglichen Generalunternehmervertrag fortbesteht, wenn die Parteien den Bauzeitenplan ändern, hatte sich das OLG Naumburg auseinanderzusetzen.

Wirksam vereinbarte Vertragsstrafe

Im zu entscheidenden Fall sollte der Auftragnehmer für den Auftraggeber ein Parkhaus errichten. Die Parteien hatten für die Errichtung des Parkhauses eine nach dem Kalender bestimmte Fertigstellungsfrist verbindlich bis zum 28.11.2014 festgelegt. Für den Fall, dass der Auftragnehmer in Verzug mit der Fertigstellung des Bauvorhabens geraten sollte, einigten sich die Parteien auf eine Vertragsstrafe gem. § 11 VOB/B in Höhe von 0,15 % der Nettoauftragssumme für jeden Werktag. Allerdings machte der Auftraggeber während des Bauverlaufs Änderungswünsche in Bezug auf die Fassadenarbeiten geltend und ordnete einen Baustopp auf unbestimmte Zeit an. Beide Parteien vereinbarten, dass der festgelegte Bauzeitenplan nicht mehr gelte, da die Fertigstellung in der vorgegebenen Zeit nicht realisierbar sei. Im Anschluss verpflichtete sich der Auftragnehmer, dennoch das Parkhaus fertigzustellen und sicherte dessen volle Funktionsfähigkeit, mit Ausnahme der Fassade, zu. Die Fertigstellung des Parkhauses erfolgte schließlich erst fast ein Jahr nach der ursprünglich geplanten Frist Ende Oktober 2015. Der Auftraggeber klagte gegen den Auftragnehmer auf Zahlungen der vereinbarten Vertragsstrafe sowie von Schadensersatz aufgrund der verspäteten Leistungserbringung.

Obsoletes Strafversprechen

Einen Anspruch hierfür konnte das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg allerdings nicht erkennen. Nach Ansicht des Gerichts sei der Auftragnehmer nicht in Verzug mit der Fertigstellung des Parkhauses geraten, da er keine verbindliche Fertigstellungsfristen überschritten habe. Die nach dem Kalender bestimmte Fertigstellungsfrist sei infolge des auf unbestimmte Zeit angeordneten Baustopps obsolet geworden. Ein anderes Ergebnis würde sich auch nicht daraus ergeben, dass der Auftragnehmer eine Fertigstellung mit Ausnahme der Fassade bis zum 05.12.2014 zugesichert hatte. Eine neue Fertigstellungsfrist des gesamten Bauvorhabens wurde hier explizit nicht festgelegt. Dies wäre nur anzunehmen, wenn die funktionstüchtige und abnahmereife Herstellung des gesamten Parkhauses vereinbart worden wäre. Ohne verbindliche Fertigstellungsfrist bestünde daher auch kein Anspruch auf die Leistung der ursprünglich vereinbarten Vertragsstrafe. Ein Verzögerungsschaden sei ebenfalls nicht anzunehmen, da dieser nur für einen über die Vertragsstrafe hinausgehenden Schaden geltend gemacht werden kann.

Fristverschiebungen in der Praxis

Gerichte haben immer wieder über die Verschiebung von Fertigstellungsfristen und damit zusammenhängende Vertragsstrafen-Regelungen zu entscheiden. § 11 Abs. 2 VOB/B bestimmt das Verschuldenserfordernis als Voraussetzung für die Vertragsstrafe. Liegt eine Behinderung des Auftragnehmers gemäß § 6 Abs. 2 VOB/B vor, verlängern sich die festgesetzten Fertigstellungsfristen. Die Vertragsstrafe gilt nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH) nur bei unerheblichen Änderungen des Bauablaufs dann auch für die neue Frist.

Verschieben Auftraggeber und Auftragnehmer übereinstimmend die verbindlichen Fertigstellungstermine, hängt es nach Ansicht des BGH vom Einzelfall ab, ob sich auch die Vertragsstrafen-Regelung auf den neuen Termin erstrecken soll. Der Grundsatz lautet, dass die bloße Fristverlängerung an dem Fortbestand des Strafversprechens nichts ändert. Eine Ausnahme besteht nach der herrschenden Auffassung dann, wenn Bauablaufstörungen eine grundlegende Neuordnung der Terminplanung erfordern. Werden überholte oder nicht mehr einhaltbare Vertragsfristen einvernehmlich neu festgelegt, muss genau geprüft werden, ob die Vertragsstrafe auch für die neue Fertigstellungsfrist gelten soll. Liegen die Terminverschiebungen in der Sphäre des Auftraggebers oder lässt die einvernehmliche Bauzeitplanänderung nicht erkennen, dass die Vertragsstrafe auch für den neuen Termin gelten soll, ist regelmäßig nicht von einer Fortgeltung der Vertragsstrafe für die neuen Termine auszugehen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.04.2012, Az. 23 U 150/11).

Auch im beschriebenen Fall hatten die Parteien keinen konkreten Termin für die Gesamtfertigstellung vereinbart. Zudem beruhten die Verschiebung und der Baustopp auf den Wünschen des Auftraggebers, sodass es keine klare Regelung zur Fortgeltung der Vertragsstrafe gab und diese somit hinfällig geworden war.