Anlass und Gegenstand des sogenannten projektbezogenen (Angebots-) Bebauungsplans ist ein konkretes Vorhaben. Wie ist damit aber in der Abwägung umzugehen? Ist bei der Ermittlung und der Bewertung der abwägungsrelevanten Belange auf das konkrete Vorhaben abzustellen oder muss man sich strikt an die abstrakten Festsetzungen des Bebauungsplans halten? Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) München eine überraschend strenge Entscheidung getroffen (Urteile vom 03.08.2022 – 15 N 21.1291 – und vom 12.04.2023 – 15 N 22.1678 –).
Eigentlich gibt es ja nur den normalen (Angebots-)Bebauungsplan (§ 8ff. BauGB) und den vorhabenbezogenen Bebauungsplan (§ 12 BauGB). Schon seit langem hat sich in der Planungspraxis jedoch ein Zwitter etabliert, der sogenannte projektbezogene Angebotsbebauungsplan. Den Begriff sucht man im BauGB vergebens, ebenso eine spezifische rechtliche Grundlage, vergleichbar mit § 12 BauGB. Das muss an sich nicht weiter wundern, handelt es sich doch tatsächlich um einen normalen Bebauungsplan mit der Besonderheit, dass das Bauvorhaben zumindest für den größten Teil seines Geltungsbereichs bereits feststeht, ja gerade der Anlass für das Aufstellungsverfahren ist. Dahinter steht regelmäßig ein Investor bzw. Vorhabenträger, der bereits Zugriff auf die benötigten Grundstücke hat und sich in einem städtebaulichen Vertrag mit der plangebenden Gemeinde zur Durchführung der Planung, Übernahme der Kosten, Herstellung der Erschließung und der Übernahme aller Folgekosten verpflichtet. Oft unterwirft sich der Vorhabenträger vertraglich weiteren Beschränkungen hinsichtlich der Bebauung und Nutzung des Grundstückes, die so gar nicht festsetzungsfähig wären. Dennoch wird mit dem Bebauungsplan ganz normal ein Baugebiet nach §§ 2-9 BauNVO, zum Beispiel ein Gewerbegebiet oder ein Industriegebiet, festgesetzt.
Doch was ist Gegenstand der Abwägung?
Aus den dargestellten Gründen steht während des Planaufstellungsverfahrens bereits sehr genau fest, welches konkrete Vorhaben im zukünftigen Plangeltungsbereich in absehbarer Zeit verwirklicht wird. Nichts ist naheliegender, als dieses konkrete Vorhaben daher auch zum Gegenstand der Betrachtungen zu machen, wenn es um die Auswirkungen auf die Umgebung geht. Angesprochen sind damit insbesondere die Schallimmissionen, die durch den zusätzlichen, vom Vorhaben ausgelösten Verkehr verursacht werden. Das begegnete in der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung keinen durchgreifenden Bedenken. Die Ermittlung und Bewertung der abwägungsrelevanten Belange dürfen sich an dem konkreten Vorhaben, das höchstwahrscheinlich im Bereich des Bebauungsplans realisiert wird, orientieren. Die Zulässigkeit dieser Vorgehensweise wurde damit begründet, dass speziell beim Erstellen von Verkehrs- oder Emissionsprognosen als Grundlage nur die im Zeitpunkt der Entscheidung verfügbaren Daten und Erkenntnisse herangezogen werden können, die ein wirklichkeitsnahes Wahrscheinlichkeitsurteil ermöglichen. Schließlich müssen gutachterliche Prognosen, die in ein Bebauungsplanverfahren einfließen, von möglichst realistischen Annahmen und Geschehensabläufen ausgehen. Ausnahme: Wenn auch andere bauliche Nutzungen realistischerweise zu erwarten sind, sollten auch deren Auswirkungen in der Abwägung berücksichtigt werden, sofern diese weitergehend sind als das vertraglich vereinbarte Vorhaben.
Der VGH München sieht das enger
Die Gemeinde dürfe sich nicht ausschließlich an dem konkreten vertraglich vereinbarten Vorhaben orientieren. Gerade bei der Ermittlung und Bewertung der Verkehrsproblematik müsse der Plangeber auch weitere von den Festsetzungen des Bebauungsplans abgedeckte Nutzungen in seine Prognoseentscheidung einbeziehen, wenn das konkrete Vorhaben, das den Planungsanlass darstellt, die Festsetzungen nicht voll ausschöpft und deshalb sonstige nach dem Bebauungsplan mögliche Verkehrszusatzbelastungen nicht umfasst. Der VGH München verlangt also gewissermaßen eine Worst-Case-Betrachtung. Er begründet dies damit, dass zukünftige Kapazitätserweiterungen im Rahmen der Festsetzungen nicht ausgeschlossen werden könnten, ebenso wenig grundlegende Änderungen des Vorhabens.
Auswirkungen für die Praxis
Um auf der sicheren Seite insbesondere bei umstrittenen Planungen zu sein, ist die plangebende Gemeinde gut beraten, dem Stadtplanungsbüro und den Gutachtern aufzugeben, sich nicht allein an dem konkreten Vorhaben zu orientieren, sondern vorsorglich auch einen typischen Betrieb, der den Festsetzungen entspricht, ihren Untersuchungen zu Grunde zu legen. Dort wo es möglich ist, sollten die Festsetzungen des Bebauungsplans so eng auf das projektierte Vorhaben zugeschnitten sein, dass kein Spielraum nach oben besteht. Freilich kann das nicht in jeder Hinsicht gelingen: Für Festsetzungen, die unmittelbar die Verkehrsmenge begrenzen, gibt es keine Ermächtigungsgrundlage im BauGB.