Wenn aufgrund von veränderten Umständen zusätzliche oder geänderte Leistungen erforderlich werden, kommt es schnell zu hitzigen Verhandlungen über die Vergütung der neuen Leistung. Sofern keine Einigung erzielt wird, droht der Auftragnehmer oftmals mit der Leistungseinstellung, um seiner Position Nachdruck zu verleihen. Das Oberlandesgericht Hamm (Urt. v. 09.02.2023 – 24 U 77/21) stellte in diesem Zusammenhang jüngst heraus, dass die fehlende Einigung über die Nachtragsvergütung den Auftragnehmer nicht zur Einstellung seiner Leistungen berechtigt.
Anordnungsrecht gilt auch ohne Vergütungsvereinbarung
Vorliegend war der Auftragnehmer mit Putzarbeiten an einer noch zu errichtenden Gartenmauer beauftragt. Nach Vertragsschluss änderten sich jedoch die Pläne über die Höhe der Mauer, sodass sich die zu verputzende Fläche um ca. 20 % vergrößerte. Die Parteien gerieten daraufhin in Streit über die Vergütung der zusätzlichen Leistung. Der Auftragnehmer unterbreitete ein Nachtragsangebot und machte die Aufnahme der Arbeiten von dessen Annahme abhängig. Daraufhin kündigte der Auftraggeber den Vertrag wegen der Leistungseinstellung und verlangte die Erstattung der Mehrkosten, die ihm durch die Beauftragung eines dritten Unternehmens entstanden waren. Der Auftragnehmer vertrat hingegen weiterhin die Ansicht, dass er mangels Einigung über die Vergütungshöhe zur Leistungseinstellung berechtigt sei.
Das Oberlandesgericht (OLG) pflichtete dem Auftraggeber bei und stellte fest, dass dem Auftragnehmer vorliegend kein Recht zur Einstellung seiner Leistungen zustehe. Die in diesen Fällen vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Interessen führe zu der Annahme, dass dem Auftragnehmer der Leistungsbeginn auch ohne vorherige Vergütungsvereinbarung zugemutet werden könne. Vielmehr oblag dem Auftraggeber ein einseitiges Anordnungsrecht, welches nicht von der vorherigen Einigung über die Vergütungshöhe abhänge. Daher durfte der Auftraggeber den Vertrag aus wichtigem Grund kündigen und die Kosten der Ersatzvornahme verlangen.
Abwägung der widerstreitenden Interessen
Konkret stellte das Gericht heraus, dass im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen insbesondere die zu erwartenden Erschwernisse für den Auftragnehmer, der Umfang der in Rede stehenden Vergütungserhöhung und das Kooperationsprinzip zu berücksichtigen seien. Lediglich wenn die Abwägung dieser Interessen zugunsten des Auftragnehmers ausfalle, kann dieser die Leistungsaufnahme von der Vereinbarung einer höheren Vergütung abhängig machen.
Das Recht zur Leistungseinstellung soll insbesondere dann bestehen, wenn der Auftraggeber die zusätzliche Vergütungspflicht von vornherein endgültig ausschließt und daher absehbar ist, dass der Auftragnehmer die Nachtragszahlung auf gerichtlichem Weg durchsetzen müsste. Nachdem sich der Auftraggeber hier der Nachtragsvergütung nicht grundsätzlich widersetzte, sondern lediglich das konkrete Angebot zurückwies, lagen die Voraussetzungen der Leistungsverweigerung nach den Grundsätzen des Gerichts nicht vor.
Leistungseinstellung berechtigt zur Kündigung aus wichtigem Grund
Dass diese Fälle der unberechtigten Leistungseinstellung wegen Forderung einer Mehrvergütung den Auftraggeber zur Kündigung des Bauvertrags aus wichtigem Grund berechtigen, stellte auch kürzlich das Landgericht Potsdam mit Urteil vom 19.04.2023 (Az. 6 O 276/20) dar. In diesem Fall machte der Auftragnehmer die Ausführung der Leistung ebenfalls von der Zustimmung zum Nachtragsangebot abhängig, ohne dass Gründe vorlagen, die ihn zur Leistungseinstellung berechtigten.
Praxishinweise
Im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung hätte der Auftragnehmer nachzuweisen, dass der Auftraggeber sich der Mehrkostenvergütung endgültig verweigert habe. Dies ist erforderlich, da andere Gründe in der Regel nicht ausreichen dürften, um die Leistungsverweigerung zu begründen. Dennoch ist zu beachten, dass stets eine Einzelfallbetrachtung unter Abwägung der oben genannten Interessen vorzunehmen ist. In einem Prozess wird es daher darauf ankommen, ob der Auftragnehmer darlegen kann, dass der Auftraggeber seiner Kooperationspflicht nicht nachgekommen ist, und deutlich gemacht hat, dass er den Mehraufwand nicht vergüten werde.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass dem Auftragnehmer ohne entsprechende vertragliche Vereinbarung auch kein Anspruch auf eine Vorschusszahlung zusteht. Vielmehr sind die üblichen Regeln des Werkvertragsrechts einzuhalten, wonach die Vergütung erst auf die Leistungserbringung folgt. Daher bleibt es dem Auftragnehmer auch unbenommen, Abschlagsrechnungen für die erbrachten Leistungen zu stellen, sofern sich dies aus der vertraglichen Vereinbarung ergibt. Ein weiteres legitimes Mittel des Auftragnehmers ist die Forderung nach Sicherheiten, wie beispielsweise der Bauhandwerkersicherung nach § 650 f BGB.
Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung wie auch der Kooperationspflicht ist den Bauvertragspartnern zu empfehlen, Differenzen möglichst auf dem Verhandlungsweg beizulegen und gesprächsbereit zu bleiben. Nur auf diese Weise können die immensen Kosten, die mit einer Leistungseinstellung üblicherweise verbunden sind, abgewendet werden. Eine vorherige detaillierte Einigung über die Vergütungshöhe ist aber ebenso wenig erforderlich, wie die anstandslose Annahme des Nachtragsangebots.