Ausübung des Vorkaufsrechts

15.05.2021

Der Verwaltungsgerichtshof Kassel hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit der Frage befasst, welche Anforderungen eine Gemeinde zu beachten hat, wenn sie ihr Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB ausüben möchte.

Sachverhalt und Problemstellung

Dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 24.11.2020 (3 A 828/20) lag folgender Fall zugrunde:

Mit notariellem Kaufvertrag veräußerte eine Erbengemeinschaft (Verkäuferin) ein Grundstück an die Klägerin (Käuferin). Bei dem Grundstück handelte es sich um eine landwirtschaftliche Fläche in unmittelbarer Ortsrandlange, die im Flächennutzungsplan (FNP) der beklagten Gemeinde als „Wohnbaufläche“ ausgewiesen war. Nachdem der Notar gegenüber der Gemeinde den Kaufvertrag angezeigt hatte, übte diese ihr gemeindliches Vorkaufsrecht für das Grundstück aus.

Zur Begründung führte die Gemeinde aus, das Grundstück liege in einem Bereich, für den der FNP eine Wohnbaufläche vorsehe. Sie beabsichtige zu gegebener Zeit für die Flächen einen Bebauungsplan aufzustellen, sobald sie die hierfür erforderlichen Grundstücke erworben habe. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass bei einer Baulandentwicklung mit Grundstücken, die sich nicht in ihrem Eigentum befänden, Baulücken entstünden, die nicht dem allgemeinen Grundstücksmarkt zur Verfügung stünden. Um Bauwilligen Grundstücke zu angemessenen Preisen zur Verfügung stellen zu können, solle mit der Ausübung des Vorkaufsrechts auch eine Kontrolle über das zukünftige Preisniveau erzielt werden.

Gegen diese Ausübung des Vorkaufsrechts erhob die Käuferin Widerspruch, der von der Gemeinde zurückgewiesen wurde. Daraufhin klagte die Käuferin gegen den Vorkaufsrechtsbescheid vor dem Verwaltungsgericht. Die Klage wurde abgewiesen. Die sodann gegen das erstinstanzliche Urteil erhobene Berufung hatte vor dem Verwaltungsgerichtshof Erfolg.

Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts

Der VGH kommt zu dem Ergebnis, dass der Bescheid über die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtswidrig ist und die Käuferin in ihren Rechten verletzt.

Das Gericht bejahte zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB. Danach steht der Gemeinde ein Vorkaufsrecht zu, soweit es sich um unbebaute Flächen im Außenbereich handelt, für die nach dem FNP als Wohnbaufläche oder Wohngebiet ausgewiesen sind. Das war hier der Fall.

Wohl der Allgemeinheit muss Vorkaufsrecht rechtfertigen

Zusätzlich verlangt allerdings § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB, dass das Vorkaufsrecht nur ausgeübt werden darf, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt. Das konnte der VGH in diesem Fall nicht erkennen. Ein solches liegt nur dann vor, wenn die Gemeinde die erforderlichen Schritte unternimmt, um das städtebauliche Ziel, nämlich Wohnbauland bereitzustellen, zu verwirklichen. Das BVerwG verlangt hierzu im Regelfall die Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplanes in einem überschaubaren Zeitrahmen.

Dieser vom Gericht verlangte enge zeitliche Zusammenhang lag hier nicht vor. Die Beklagte Gemeinde hatte nicht vorgetragen, dass sie im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (dem Widerspruchsbescheid) oder danach planerisch tätig geworden war und ernsthaft eine Ausweisung als Wohnbaufläche betrieben hatte. Sie hatte es lediglich bei entsprechenden Absichtsbekundungen belassen. Dies reichte dem Gericht nicht aus.

VGH gibt seine bisherige Rechtsprechung auf

Mit dieser Entscheidung gibt der VGH seine bisherige Rechtsprechung in diesem Zusammenhang auf. So hatte er in einer Entscheidung vom 20.06.2003 (3 UE 371/03) noch die Auffassung vertreten, eine Gemeinwohlrechtfertigung bestehe bereits dann, wenn eine entsprechende Verwendungsabsicht bestehe. Das Wohl der Allgemeinheit erfordere keine weitergehenden Planungsabsichten als im Flächennutzungsplan dargestellt. An dieser Rechtsprechung hält der VGH mit Blick auf eine entgegenstehende Entscheidung des BVerwG (Beschluss vom 15.01.2010 – 4 B 53.09) ausdrücklich nicht mehr fest und schließt sich nunmehr der anderslautenden Auffassung des BVerwG an.

Weitere Rechtsentwicklung

Dem gemeindlichen Vorkaufsrecht kommt eine wachsende Bedeutung zu. Mit der beabsichtigten Novellierung des BauGB durch das Baulandmobilisierungsgesetz ist deshalb geplant, die Vorkaufsrechte für Städte und Gemeinden auszubauen bzw. zu stärken. Künftig soll ein solches Vorkaufsrecht auch bestehen, wenn „auf einem zu veräußernden Grundstück ein Missstand besteht“. Ferner soll ein neues Vorkaufsrecht für unbebaute bzw. geringfügig bebaute und brachliegende Grundstücke in Gemeinden mit einem angespannten Wohnungsmarkt eingeführt werden. Auch aus diesem Grund bleibt das Thema „gemeindliches Vorkaufsrecht“ spannend.