Wann können für Grünanlagen Erschließungsbeiträge erhoben werden?

15.07.2021

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat sich jüngst mit der Frage auseinandergesetzt, wann für Grünanlagen im Sinne von § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB Erschließungsbeiträge abgerechnet werden dürfen.

Hintergrund der Entscheidung

Hintergrund des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts (OVG) vom 15.04.2021 (15 A 149/20) war die Klage gegen einen Erschließungsbeitragsbescheid. In diesem Zusammenhang argumentierte die Klägerin, die Kosten für die Herstellung einer (öffentlichen) Grünanlage sei nicht beitragsfähig, weil diese Anlage städtebaulich nicht notwendig sei. Deshalb sei sie auch nicht abrechnungsfähig.

Grünanlagen müssen städtebaulich „notwendig“ sein

Diese Argumentation gab dem OVG die Gelegenheit klarzustellen, wann es einer Stadt oder Gemeinde erlaubt ist, die im Bebauungsplan vorgesehenen und angelegten Grünanlagen gegenüber den Grundstückseigentümern durch Erschließungsbeitrag abzurechnen. Zunächst bestätigt das Gericht, dass Grünanlagen unter anderem nur dann beitragsfähig sind, wenn sie nach städtebaulichen Grundsätzen zur Erschließung des jeweiligen Baugebiets notwendig sind. Nicht notwendige Grünanlagen können folglich auch nicht abgerechnet werden.

Keine überhöhten Anforderungen an städtebauliche Notwendigkeit

Sodann macht das Gericht allerdings deutlich, dass an diese „Notwendigkeit“ keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind. Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass Grünanlagen grundsätzlich der Gesundheit der Einwohnerinnen und Einwohner einer Gemeinde zugutekämen und somit notwendig seien. Es gehe nicht primär um eine optische Aufwertung. Vielmehr trügen Grünflächen zu Luftverbesserung, Lärmschutz und Aufenthalt im Freien bei und dienten folglich der physischen und psychischen Erholung der Menschen. Deshalb würden Grünanlagen heutzutage zu einer ordnungsgemäßen Erschließung gehören.

Nur unter besonderen Umständen sind Grünanlagen überflüssig

Vor diesem Hintergrund – so das OVG – seien Grünanlagen in Baugebieten in der Regel städtebaulich notwendig und damit auch abrechnungsfähig, es sei denn, es lägen besondere Umstände vor. Diese wären z.B. gegeben, wenn in erreichbarer Nähe genügend andere Grünanlagen vorhanden sind oder wenn sich in dem jeweiligen Baugebiet nur Einfamilienhäuser mit Gärten befinden, die bereits eine ausreichende Erholung „im Grünen“ garantieren. Dann entfalle der für die Abrechnung erforderliche “Sondervorteil” für die Anwohner.

Grünanlagen stets notwendig bei Mietwohnungsbau

Dies ist nach Ansicht des OVG bereits dann ausgeschlossen, wenn in dem Baugebiet auch Mieterinnen und Mieter wohnen würden, die die vorhandenen Gärten nicht nutzen könnten. Gleiches gilt, wenn die Hausgärten nur einen sehr geringen Umfang aufweisen, wie dies beispielsweise bei einer Reihenhausbebauung auf sogenannten „Handtuchgrundstücken“ der Fall ist.

Erschließungswirkung der Grünanlage

Schließlich beantwortet das OVG noch die Frage, bis zu welcher Entfernung sich eine Grünanlage positiv auf benachbarte Grundstücke auswirke. Diese Wirkung bestehe für alle Grundstücke, die von der Grünanlage nicht mehr als 200 m Luftlinie entfernt liegen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass das Grundstück der Klägerin über einen eigenen Garten verfügte. Denn maßgeblich für die Beteiligung an den Kosten der Erschließungsanlage sei nicht die tatsächliche, sondern die mögliche Nutzung durch die Klägerin.

Praxisempfehlung

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass man bei der Abrechnung von Erschließungsanlagen im Blick behalten muss, ob diese Anlagen im konkreten Einzelfall einen Vorteil gewähren. Dies ist insbesondere bei den in § 127 Abs. 2 Nrn. 4 und 5 BauGB genannten Anlagen nicht ohne weiteres der Fall, sondern bedarf stets einer entsprechenden Prüfung.