Einsatz von „Stoffpreisgleitklauseln“ in Vergabeverfahren

15.07.2021

Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) hat seine Vergabestellen angewiesen, in Anbetracht stark steigender Baustoffpreise die Anwendung sogenannter „Stoffpreisgleitklauseln“ bei Bauaufträgen zu prüfen (Erlass vom 21.05.2021, Az. BW I 7 -70437/9#3). Auch für die größeren Bauprojekte von Städten und Gemeinden kann der Einsatz solcher Klauseln sinnvoll sein. So empfiehlt beispielsweise das bayerische Innenministerium kommunalen Auftraggebern, die Anwendung von Stoffpreisgleitklauseln in Betracht zu ziehen (Erlass vom 21.05.2021, Az. B3-1512-30-13).

Stoffpreisgleitklauseln sind nicht neu, sondern kamen bei stark schwankenden Stahlpreise zum Einsatz. Das BMI regt nun an, wegen der sprunghaften Preiserhöhungen für mehrere Baustoffe im ersten Halbjahr 2021 aufgrund der Corona-Pandemie und den daraus resultierenden Lieferengpässen, die Erweiterung des Anwendungsbereichs von Stoffpreisgleitklauseln zu prüfen.

Funktionsweise von Stoffpreisgleitklauseln

Eine Stoffpreisgleitklausel verteilt das Risiko stark steigender oder fallender Preise für Baustoffe wie Holz, Kunststoffe und Stahl auf Auftraggeber und Auftragnehmer. Grundsätzlich wird für volatile Positionen des Leistungsverzeichnisses ein Basiswert, z.B. zum Zeitpunkt des Versands der Vergabeunterlagen, festgelegt. Dieser Basiswert wird im Laufe des Vergabeverfahrens fortgeschrieben. Im Rahmen einer speziellen Berechnungsmethode können die Preisschwankungen vom Zeitpunkt der Angebotseröffnung bis zur Fertigstellung eines Gewerks abgebildet werden.

Das Vergabe- und Vertragshandbuch für die Baumaßnahmen des Bundes (VHB) sieht zudem eine Bagatellregelung vor. Von den ermittelten Mehr- oder Minderaufwendungen ist eine Selbstbeteiligung des Auftragnehmers in Höhe von 10 % der Mehr-/Minderaufwendungen, mindestens jedoch 2,0 % der Abrechnungssumme abzuziehen. So werden beide Seiten angemessen an steigenden und fallenden Preisen beteiligt.

Kriterien für die Verwendung von Stoffpreisgleitklauseln

Entscheidend ist, dass die Preisentwicklung der einzubeziehenden Baustoffe vom Statistischen Bundesamt als gewerbliches Produkt (samt eigener GP-Nummer) im Erzeugerpreisindex zur Entwicklung der Baumaterialpreise erfasst und veröffentlicht werden.

Weiter ist eine Stoffpreisgleitklausel nach VHB in der Regel nur sinnvoll, wenn zwischen Angebotsabgabe und dem Zeitpunkt der vereinbarten Fertigstellung ein längerer Zeitraum (mindestens 10 Monate) liegt. Ebenso sollte der Baustoff, der der Stoffpreisgleitklausel unterliegen soll, mindestens 1 % der geschätzten Auftragssumme des Vergabeverfahrens ausmachen.

Zu beachten ist, dass eine Stoffpreisgleitklausel bei Verwendung durch den öffentlichen Auftraggeber eine überraschende und deshalb unwirksame Klausel darstellen kann, wenn sie ohne ausreichende Hinweise in den Vertragstext aufgenommen wird (BGH, Urteil v. 13.12.2013, Az. 10 U 355/13).

Fazit

Im Umfeld stark steigender Rohstoffpreise kann der öffentliche Auftraggeber durch Stoffpreisgleitklauseln das Risiko verringern, dass der Auftragnehmer „an anderer Stelle spart“, weil er nach Zuschlagserteilung sonst keine Möglichkeit hat, die möglicherweise stark gestiegenen Preise weiterzugeben. Bei der Verwendung von Stoffpreisgleitklauseln ist jedoch eine rechtssichere Ausgestaltung zu beachten.