Schmaler Grat zwischen Schadensersatzanspruch und zusätzlicher Vergütung

15.07.2021

Für bauliche Maßnahmen, die vom Leistungsverzeichnis nicht erfasst sind, kann der Werkunternehmer eine zusätzliche Vergütung verlangen. Ist für den Auftragnehmer jedoch erkennbar, dass seine Arbeiten nicht zum gewünschten Ergebnis führen, muss er den Auftraggeber darauf hinweisen. Unterlässt er dies, führt dies zum Schadensersatzanspruch des Auftraggebers. Unter welchen Voraussetzungen dieser Anspruch begründet ist, war nun Gegenstand einer Entscheidung des Kammergerichts (KG) Berlin (Urteil vom 13.04.2021 – Az. 21 U 45/19).

Sachverhalt

Das oberste Gericht Berlins hatte sich mit dem schmalen Grat zwischen Vergütungs- und Schadensersatzanspruch auseinanderzusetzen. Der Werkunternehmer wurde auf Grundlage eines von ihm erstellten Leistungsverzeichnisses mit der Neuherstellung von Gasleitungen in einem Altbau beauftragt. Nach Abschluss der Arbeiten stellte der Auftraggeber fest, dass aufgrund der mangelhaft abgedichteten Deckendurchbrüche Essensgerüche von einem Stockwerk zum anderen dringen konnten.

Der Auftraggeber lehnte daher die Zahlung der Schlussrechnung ab. Daraufhin bot der Auftragnehmer an, eine ordnungsgemäße Abdichtung vorzunehmen, allerdings gegen eine Nachberechnung. Damit war der Auftraggeber hingegen nicht einverstanden. Der Werkunternehmer klagte vor dem Landgericht Berlin und bekam Recht. Das Landgericht verurteilte den Auftraggeber zur Zahlung der Vergütung. Dieser brachte in der Berufungsinstanz vor, dass er dem Auftragnehmer nicht für die entstandenen Mehrkosten eine zusätzliche Vergütung schulde, da diese Maßnahmen bereits von den erteilten Aufträgen und dem Leistungsverzeichnis erfasst und einkalkuliert seien.

Entscheidung des Kammergerichts

Dies überzeugte das Kammergericht nicht und es entschied zugunsten des Werkunternehmers. Das Leistungsverzeichnis umfasse eindeutig nicht die Kosten der nachträglichen Abdichtung. Zudem seien auch die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch des Auftraggebers nicht erfüllt.

Der Senat folgte dabei hinsichtlich der zusätzlichen Vergütung für den Werkunternehmer den vom Bundesgerichtshof (BGH) entwickelten Grundsätzen (BGH, Urteil vom 17.05.1984 – VII ZR 169/82). Der beim Werkvertrag geschuldete Erfolg richtet sich auf die Errichtung eines funktionstauglichen Bauwerks, nicht aber unbedingt zu den vereinbarten Kosten. Auch aus § 2 Abs. 1 VOB/B ergibt sich, dass mit der vereinbarten Vergütung die beschriebene, nicht jedoch die geschuldete Leistung abgegolten wird.

Die erforderlichen Arbeiten zum Verschluss der Deckendurchbrüche waren im vereinbarten Leistungsverzeichnis nicht aufgeführt oder einer anderen Leistung zuzuordnen. Das Kammergericht kam daher zu dem Schluss, dass der Auftragnehmer zwar die Geschossdecken verschließen muss, aber nur gegen eine zusätzliche Vergütung, da die zusätzlichen Baumaßnahmen nicht von vornherein mit den angegebenen Preisen abgegolten werden. Sollen die vereinbarten Preise im Leistungsverzeichnis auch pauschal für nicht aufgeführte Leistungen gelten, muss es hierfür konkrete Anhaltspunkte im Vertragsverhältnis geben.

Keine entsprechende Interessenlage

Die Interessenlage der Vertragsparteien lässt keine andere Bewertung zu. Denn das Ausführungsinteresse ohne Mehrvergütung des Auftraggebers überwiegt nicht das Vergütungsinteresse des Auftragnehmers für über das Leistungsverzeichnis hinausgehende Arbeiten. Das KG stellt zutreffend auf günstige Reparaturmaßnahmen ab. Bei der Baumaßnahme handelt es sich um eine punktuelle Reparatur- bzw. Sanierungsmaßnahme in einem Altbau. Will der Besteller daher eine möglichst kostengünstige Reparaturmaßnahme und bemüht sich der Werkunternehmer seine Kosten deshalb niedrig zu halten, wird dieser nur die im Leistungsverzeichnis explizit aufgeführten Maßnahmen erbringen wollen. Weitere Arbeiten seien folglich zusätzlich zu vergüten. Ist bei punktuellen Reparatur- und Sanierungsmaßnahmen eine kostengünstige Ausführung nicht möglich, liegt das Kostenrisiko typsicherweise beim Eigentümer oder Nutzer und nicht beim Unternehmer. Zudem stellt sich der genaue Umfang bei diesen Leistungen mitunter erst im Verlauf der Arbeiten heraus.

Der Auftraggeber ist dabei auch nicht rechtlos, da das Leistungsverzeichnis als Kostenanschlag i.S.v. § 649 BGB zu verstehen ist. Damit hat er die Möglichkeit zu kündigen, sollten weitere Leistungen erforderlich werden.

Kein Schadensersatzanspruch bei dennoch erfolgter Beauftragung

Im Umfang einer ordnungsgemäßen Ausführung der Arbeiten kann dem Auftraggeber jedoch auch ein Schadensersatzanspruch gegen den Werkunternehmer zustehen. Denn für den Auftragnehmer ist bei punktuellen Baumaßnahmen in der Regel erkennbar, ob die im erstellten Leistungsverzeichnis aufgeführten Arbeiten zu den vereinbarten Einheitspreisen erfolgreich abgeschlossen werden können oder nicht. Ist das nicht der Fall, muss er den Auftraggeber bei Auftragserteilung oder spätestens zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme darauf hinweisen, dass eine Überschreitung der veranschlagten Kosten droht.

Das KG betont in seiner Entscheidung, dass der Schadensersatzanspruch jedoch nur besteht, wenn der Auftraggeber den Werkunternehmer bei Vorliegen des Hinweises nicht oder jedenfalls nicht im vereinbarten Umfang beauftragt hätte. Diese Voraussetzung ergibt sich aus der Beschränkung des Schadensersatzanspruches nach § 280 BGB auf die ordnungsgemäße Vertragsausführung durch den Werkunternehmer. Auch hier muss es konkrete Anhaltspunkte dafür geben, dass keine oder eine anderweitige Beauftragung des Auftragnehmers erfolgt wäre.

Nicht begründet ist ein Schadensersatzanspruch, wenn der Auftraggeber dies nicht nachweisen kann oder wenn sich aus den objektiven Umständen ergibt, dass es dennoch zu einer Beauftragung des Werkunternehmers gekommen wäre. Dies kann sich aus der Vergabe weiterer Aufträge oder aus dem Gesamtkostenumfang ergeben.

Mehrkosten vermeiden

In einem vom Auftragnehmer gestellten Leistungsverzeichnis umfasst der Einheitspreis nur die Leistung in der jeweils angegebenen Größe, Güte oder Herstellungsart. Leistungen, die nicht entsprechend aufgeführt sind, können daher zu Zusatzkosten führen, sollte ihre Ausführung notwendig werden. Um von vornherein etwaige Mehrkosten zu vermeiden, sollten bereits bei Vereinbarung des Leistungsverzeichnisses alle möglichen Arbeiten genau aufgenommen werden.

Im Falle eines nicht sachkundigen Auftraggebers ist die Entscheidung allerding zu weitgehend. Dieser muss darauf vertrauen dürfen, dass im detaillierten Leistungsverzeichnis des Auftragnehmers alle Herstellungsleistungen umfassend enthalten sind. Dann darf er aber auch davon ausgehen, dass die erforderlichen Leistungen mit den angebotenen (Einheits-)Preisen vollständig abgegolten sind. Insofern bleibt abzuwarten, ob andere oberste Gerichte der Rechtsauffassung Berlins folgen.